AOK-Heilmittelbericht

Physiotherapie ist häufig Frauensache

Rund 4,5 Millionen Versicherte der AOK erhielten 2016 eine Physiotherapie. Dabei lag die Behandlungsrate der Frauen deutlich über jener der Männer, so das Ergebnis des aktuellen Heilmittelberichts des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Häufigste Diagnose waren unspezifische Rückenschmerzen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Frauen machten 2016 zwei Drittel der Physiotherapie-Patienten aus.

Frauen machten 2016 zwei Drittel der Physiotherapie-Patienten aus.

© Robert Kneschke/ stock.adobe.com

BERLIN. Die Vertragsärzte haben im vergangenen Jahr GKV-weit 37,4 Millionen Heilmittelrezepte ausgestellt. Und damit 44,9 Millionen Leistungen verordnet, 15,8 Millionen entfielen allein auf die AOK-Versicherten. Den größten Anteil an den Verordnungen - nämlich über 84 Prozent - machten jene für eine Physiotherapie aus. Die Daten hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) im Rahmen des aktuellen Heilmittelberichts analysiert.

Demnach wurden 2016 von den GKV-Versicherten rund 37,9 Millionen Leistungen aus dem Katalog der Physikalischen Therapie und Physiotherapie in Anspruch genommen (13 Millionen Leistungen von den AOK-Versicherten). Im Schnitt haben laut dem WIdO jeweils 1000 GKV-Versicherte rund 530 physiotherapeutische Leistungen mit zusammen 3642 Behandlungen erhalten.

Vor allem ältere Patienten profitieren

Dass die Physiotherapie die Verordnungsliste der Heilmittel anführt, überrascht erst einmal nicht, da sie bei einer Vielzahl von Indikationen zum Einsatz kommt. Wie die WIdO-Forscher herausfanden, werden die Leistungen aber überwiegend von Frauen in Anspruch genommen. 17,5 Prozent bzw. rund 4,5 Millionen AOK-Versicherte wurden 2016 mit einer Physiotherapie versorgt, doch während die Patientenrate bei den Männern bei nur 13,4 Prozent lag, erreichte sie bei den Frauen 21,4 Prozent. Am höchsten ist die Differenz der Patientenrate in der Altersgruppe der 50- bis 54-Jährigen: Hier lag die Patientenrate der Männer mit Physiotherapie bei 17 Prozent, die der Frauen bei 28,6 Prozent. Die höchste Patientenrate bei den Frauen (32,9 Prozent) wurde in der Altersgruppe der 75- bis 79-Jährigen erzielt, bei den Männern in der Altersgruppe der 80- bis 84-Jährigen (23,9 Prozent).

"Frauen haben zwar objektiv eine höhere Lebenserwartung als Männer, sie schätzen ihren Gesundheitszustand aber subjektiv schlechter ein, gehen häufiger zum Arzt und nehmen auch Physiotherapie entsprechend öfter in Anspruch, und zwar über alle Altersgruppen hinweg", sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Erstdiagnose Schmerz

Insgesamt waren laut dem Institut immerhin fast zwei Drittel der physiotherapeutischen Patienten im vergangenen Jahr Frauen. Weibliche AOK-Versicherte erhielten 2016 im Schnitt drei Physiotherapieleistungen, männliche AOK-Versicherte 2,8 Leistungen.

Häufigste Diagnose für die Verordnung waren unspezifische Rückenschmerzen (ICD-M54). Sie waren für knapp ein Drittel der Patienten der Anlass für eine Therapie. Wie die Forscher berichten, waren gut 1,4 Millionen Patienten 2016 davon betroffen. Die Diagnose sei mit im Schnitt 1,9 Leistungen je Patient aber eher kurzzeitig behandelt worden. Laut Bericht blieb es 2016 bei drei Viertel der Patienten bei einer einmaligen Episode.

Die Häufigkeit von Rückenschmerzen bei der Physiotherapie hängt dabei mit ihrer Häufigkeit im ambulanten Versorgungsgeschehen zusammen: Nach dem Heilmittelbericht wurde im vergangenen Jahr bei 6,8 Millionen AOK-Versicherten im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung eine gesicherte ICD-Diagnose "M54 Rückenschmerz" dokumentiert. Die Prävalenzrate für diese unspezifische Diagnosecodierung betrage damit 26,7 Prozent.

In der Rangliste der Diagnosen folgen auf Platz zwei – allerdings mit nur 7,8 Prozent aller Patienten mit Heilmittel-Verordnung – die "Sonstigen Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens" (ICD M53). Sonstige Bandscheibenschäden (ICD M51) wurden beispielsweise bei 5,2 Prozent der physiotherapeutischen Patienten diagnostiziert, Gonarthrose (ICD M 17) bei drei Prozent.

Spitzenreiter Krankengymnastik

Spitzenreiter bei den physiotherapeutischen Leistungen war die normale Krankengymnastik. Knapp 6,1 Millionen Leistungen wurden von rund 2,8 Millionen AOK-Versicherten in Anspruch genommen. Damit machten die Patienten dieser Therapie fast zwei Drittel aller Physiotherapie-Patienten aus. Ein weiteres Viertel der Patienten erhielt knapp 1,93 Millionen Leistungen der manuellen Therapie. Zwölf Prozent der Patienten erhielten Krankengymnastik speziell für das Zentrale Nervensystem für Erwachsene (712.000 Leistungen), 1,3 Prozent für Kinder (133.500 Leistungen).

Hauptverordner für physiotherapeutische Leistungen sind nach wie vor die Allgemeinmediziner: Fast die Hälfte der Patienten erhielt ihr Rezept von einem Hausarzt. Sie veranlassten nach dem Heilmittelbericht fast 40 Prozent aller Physiotherapieleistungen. Von Orthopäden wurden 28 Prozent der Leistungen verordnet, sie versorgten damit etwas mehr als ein Drittel der Patienten.

Der Blick in die Regionen zeigt übrigens, dass Patienten in Ost-KVen häufiger eine Physiotherapie erhalten: In Sachsen waren es je 1000 GKV-Versicherte 5461 Behandlungen, in Sachsen-Anhalt 5207, während es bundesweit im Schnitt 3642 waren. Am niedrigsten liegt die Zahl in Westfalen-Lippe mit 2422 Behandlungen je 1000 GKV-Versicherten.

Ergo- und Sprachtherapie machten im vergangenen Jahr zwar nur 6,9 bzw. 4,9 Prozent der Heilmittelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus, die vergleichsweise teuren therapeutischen Mittel erzielten aber dennoch einen Umsatzanteil von 14,7 bzw. 10,7 Prozent. Auf den Bereich der Ergotherapie entfielen 3,08 Millionen der Heilmittelleistungen, der Gesamtumsatz lag bei 968,7 Millionen Euro. Im Bereich der Sprachtherapie waren es 2,21 Millionen Leistungen mit einem Gesamtumsatz von 704 Millionen Euro.

Bei den Therapien für Kinder liegen die Jungen vorn

2016 waren 3,3 Millionen der AOK-Versicherten Kinder (13 Prozent). Bei rund zwölf Prozent wurde die Entwicklung durch eine Heilmitteltherapie unterstützt. Die Patientenrate lag bei den Jungen bei 13,8 Prozent, bei den Mädchen hingegen bei nur 9,8 Prozent. Für Kinder bis 14 Jahren wurden rund 1,8 Millionen Leistungen abgerechnet. 37,8 Prozent entfielen auf sprachtherapeutische Leistungen, 22,2 Prozent auf ergotherapeutische Leistungen. Es gibt drei Lebensphasen, in denen besonders viele Kinder therapiert werden: die ersten beiden Lebensjahre, die Zeit kurz vor der Einschulung und die Zeit kurz nach der Einschulung.

Über 60-Jährige haben häufig Rückenprobleme

Die rund 7,67 Millionen AOK-Versicherten ab 60 Jahren machten im vergangenen Jahr 30 Prozent der Versicherten, aber 46 Prozent der Heilmittelpatienten aus. Ein gutes Fünftel der Versicherten ab 60 Jahren durchlief die Heilmitteltherapien laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) aufgrund einer Diagnose aus der ICD-Gruppe "M50 - M54 Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens" (22,2 Prozent der Leistungen). Mit großem Abstand würden die Patienten folgen, deren Diabetes mellitus eine podologische Verordnung ausgelöst habe (6,6 Prozent der Leistungen). Dritthäufigste Diagnose für eine Therapie war die Arthrose.

Die Leistungserbringer im Überblick

Insgesamt stellten im vergangenen Jahr 65.328 Anbieter von Heilmittelleistungen in Praxen und 1024 Krankenhäuser die Versorgung sicher, berichtet das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). In der Sprachtherapie wurden die AOK-Versicherten von 9843 Praxen behandelt. Im Bereich der Ergotherapie behandelten Beschäftigungs- und Suchttherapeuten in 8873 Praxen AOK-Versicherte. Die Zahl der Krankengymnasten und Physiotherapeuten stieg dem WIdO zufolge weiter auf 36.920 Praxen, während die Zahl der Bademeister und Masseure auf 4491 Praxen zurückging. Die Zahl der Podologen erhöhte sich indes auf 5227.

Mehr Infos zum Heilmittelbericht unter:

www.wido.de/heilmittel_2017.html

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