AOK

"Rabattverträge sind besser als ihr Ruf"

Rabattverträge stabilisieren die Versorgung mit Arzneimitteln – zu diesem Schluss kommt das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). Entgegen Kritik der Industrie sieht das Institut durch die Verträge die Anbietervielfalt im Markt nicht gefährdet.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:

BERLIN.Die Arzneimittel-Rabattverträge zwischen Pharmaherstellern und Kassen im generikafähigen Markt trage dazu bei, die Arzneimittelversorgung zu stabilisieren. So lautet ein Fazit einer aktuellen Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). 85 Prozent der Patienten, die einen Wirkstoff längere Zeit einnehmen müssen, hätten demnach 2016 fortlaufend das Präparat von demselben Anbieter erhalten, also keinen Herstellerwechsel bei ihrer Arznei hinnehmen müssen. Vor der Scharfstellung der Rabattverträge 2006 lag dieser Wert laut WIdO noch bei 74 Prozent. Für die Analyse hat das Institut 45 Millionen Verordnungsprofile von AOK-Versicherten, denen generikafähige Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen verschrieben wurden, ausgewertet.

Großes Sparpotenzial für Kassen

"Die Rabattverträge tragen dazu bei, unnötige Wechsel bei den Medikamenten zu vermeiden. Das wirkt sich positiv auf die Therapietreue und somit den Erfolg der Therapie aus ", sagt der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Die Krankenkassen konnten darüber die Listenpreise für Arzneimittel 2017 um mehr als vier Milliarden Euro senken. Schröder: "Die frei werdenden Finanzmittel können für eine qualitativ hochwertige Versorgung genutzt werden – ohne dass ein Qualitätsverlust hinzunehmen ist." Während früher die Apotheken von den Pharmarabatten profitiert hätten, komme das auf diesem Wege eingesparte Geld jetzt den Versicherten an anderer Stelle der Versorgung zugute, sagt er.

Der Generika-Markt, der mittlerweile mehr als 51 Prozent der gesamten Arzneimittelkosten von 37,2 Milliarden Euro (2017) ausmacht, eignet sich laut WIdO besonders für europaweite Ausschreibungen. Denn mit dem Wegfall des Patentschutzes könnten auch andere Hersteller Arzneimittel mit diesem Wirkstoff anbieten, die Produktvielfalt erhöhe sich. Während im gesamten Pharma-Markt im Schnitt jeweils 18 verschiedene Produkte für jeden der rund 2500 Wirkstoffe angeboten würden, seien es bei den Generika 27, bei einzelnen Wirkstoffen sogar mehr als 500 wirkstoffgleiche Alternativen. "Die AOKs haben 2017 mehr als 1,6 Milliarden Euro eingespart. Unsere Ausgaben für Medikamente sind nur um 0,9 Prozent je Versichertem gestiegen, der GKV-Schnitt liegt bei 2,8 Prozent", sagt Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg.

Angst vor Oligopolen

Untersucht wurde in der WIdO-Studie auch, ob und wie die Rabattverträge die Pharmabranche verändern. Einer der Kritikpunkte der Industrie ist, dass die Verträge durch stärkeren Kostendruck zur Bildung von Oligopolen führen, mit der Folge, dass nur wenige Hersteller im Markt überleben würden. So moniert der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), dass die Scharfstellung der Rabattverträge dazu geführt habe, dass bei versorgungskritischen Wirkstoffen oftmals nur noch wenige, manchmal nur noch bis zu zwei aktive Anbieter im Markt sind.

Das Ergebnis der WIdO-Studie: Die Anbietervielfalt im Generikamarkt habe sich mit der Einführung des Rabattsystems erhöht. Der in der Wissenschaft gebräuchliche Herfindahl-Hirschmann-Index, mit dem sich Marktkonzentration auf einer Skala von 0 bis 10.000 messen lässt, sei zwischen 2006 und 2016 von 478 auf 298 gesunken und unterschreite somit deutlich den Wert von 1000 für eine niedrige Marktkonzentration. Auch habe sich der Anteil am Umsatz der zehn größten Generikaanbieter 2017 auf 48 Prozent von 53 Prozent (2006) reduziert. Die verringerte Marktkonzentration zeigt laut AOK, dass nun mehr und auch kleinere Anbieter eine reale Chance haben, am Marktgeschehen teilzunehmen und diese offenbar auch nutzen.

Seit 2007 sind die Apotheken gesetzlich verpflichtet, wirkstoffgleiche Arzneimittel abzugeben. Welches Medikament über den Tresen gereicht wird, haben die jeweilige Kasse und Pharmahersteller in einem Rabattvertrag ausgehandelt. Schröder: "Heute erfolgt ein Medikamentenwechsel in der Regel nur dann, wenn Arzt und Patient dies für notwendig erachten." Der Arzt könne auf dem Rezept mit einem Kreuz bei der Aut-Idem-Regel darauf bestehen, dass der Patient in der Apotheke genau das verordnete und nicht das Vertragsprodukt erhalte.

Ob Rabattverträge im Markt Lieferengpässe auslösen, soll Mitte des Jahres in der Gesundheitsministerkonferenz diskutiert werden. Vertreter aus Hessen und dem Saarland drängen darauf, künftig lebenswichtige Medikamente aus dem Rabattsystem herauszunehmen. Baden-Württembergs AOK-Chef Hermann kann diese Argumentation nicht nachvollziehen: "Rabattverträge lösen keineswegs Lieferengpässe aus. Die gemeldeten Ausfälle betreffen fast nur den Klinikbereich, in dem es kein Rabattsystem gibt." Für den ambulanten Bereich hätten die Apotheken bundesweit nur bei 0,6 Prozent der abgegebenen Fertigarzneien ein Lieferversagen des Herstellers dokumentiert und ein gleichwertiges Produkt abgegeben.

Die WIdO-Studie

Ausgewertet wurden 45 Millionen Verordnungsdaten von AOK-Versicherten, bei denen generikafähige Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen verschrieben wurden,

www.wido.de

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