Perinatalmedizin

Niedergelassene haben eine wichtige Steuerungsfunktion

Wenngleich die Säuglingssterblichkeit in Deutschland über Jahrzehnte gesunken ist, liegt sie seit Jahren über der aus Finnland oder Schweden. Für Kinderarzt Professor Rainer Rossi nur ein Grund für einen Blick nach Nordeuropa.

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Ärzte Zeitung: Wie könnten die Ergebnisse der Perinatalmedizin in Deutschland verbessert werden?

Professor Rainer Rossi: Zum Beispiel, indem bei jeder Geburt kinderärztliche Präsenz und Kompetenz zur Verfügung steht. Bei den Spitzenreitern in Skandinavien gibt es fast keine Geburtsklinik, die nicht unmittelbar mit einer Kinderklinik zusammenarbeitet. Bei uns hingegen haben wir doppelt so viele Geburts- wie Kinderkliniken und fast jedes dritte Kind wird in Deutschland in einer Klinik geboren, an die keine Kinderklinik angeschlossen ist. Schließlich besteht auch bei reif geborenen Säuglingen immer das Risiko, dass sie eine Kinderklinik brauchen. Auch wenn in der Schwangerschaft alles normal verlaufen ist.

Und wie sieht das speziell bei Frühgeborenen aus?

Rossi: Ich trete für ein abgestuftes Versorgungskonzept mit einem differenzierten Versorgungsauftrag ein. Je komplizierter eine Schwangerschaft, desto eher soll die werdende Mutter ihr Kind in einem höchstqualifizieren Zentrum zur Welt bringen und vorab dort betreut werden, um nach Möglichkeit die Schwangerschaft noch zu verlängern. Das funktioniert in anderen Ländern sehr gut, in denen die Geburtshilfe stärker strukturiert und zentralisiert ist. Mütter mit komplikationsreicher Schwangerschaft werden frühzeitig in solche Zentren gebracht, damit das Kind die besten Überlebenschancen hat.

Kommt es dann zur frühen Geburt eines Kindes mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1500 Gramm, braucht es auch für die Kinderklinik Übung und Routine. Finnland schafft es, mit nur fünf Perinatalzentren sehr gute Ergebnisse zu erzielen. In Schweden sind es sechs derartiger Zentren – das bedeutet bei weitaus größeren Distanzen ein solches Zentrum für circa 18.000 Geburten, während bei uns ein Zentrum für 5000 Geburten zur Verfügung steht. Diese große Zahl ist nicht der Garant besserer Ergebnisse. Dabei macht nicht die Länge des Weges den Unterschied, sondern die Ausstattung, die Qualifikation und die Erfahrung des Teams.

Was halten Sie von einer Erhöhung der Mindestmenge für die Versorgung von Frühgeborenen mit geringem Geburtsgewicht?

Rossi: Die bisherige Mindestmenge von 14 pro Jahr ist für die Versorgung durch ein erfahrenes und personell gut aufgestelltes Team viel zu niedrig. Daher sollte nun dringend eine neue, höhere Mindestmenge festgelegt werden. Die rechtlichen Voraussetzungen sind nach den Änderungen durch das Krankenhausstrukturgesetz und einer Grundsatzvereinbarung zu den Mindestmengen im GBA da. Und die Studienlage für die kleinen Frühgeborenen zeigt eindeutig den Nutzen einer höheren Mindestmenge – auch für Deutschland.

Was können niedergelassene Ärzte beitragen?

Rossi: Eine Frühgeburt ist nur sehr selten ein unerwartetes Ereignis aus dem sprichwörtlichen heiterem Himmel. In der Regel ist eine Erkrankung der Mutter in der Schwangerschaft, beispielsweise eine Infektion, die Ursache der frühen Geburt. Dann muss die Frau an die richtige Stelle mit der höchsten Kompetenz überwiesen werden. Niedergelassene Ärzte haben hier eine wichtige Steuerungsfunktion.

Beim Risiko einer Frühgeburt ist jede Woche der Verlängerung der Schwangerschaft wichtig. Dafür ist nicht unbedingt das nächstgelegene Krankenhaus, sondern das auf die Betreuung komplizierter Schwangerschaften am besten qualifizierte Haus richtig.

Ich bin als Kinderarzt zudem dafür, dass die Frauen dort hingehen, wo es eine Kinderklinik gibt. Dann müssen auch im unwahrscheinlichen Fall, dass eine Behandlung des Neugeborenen in einer Kinderklinik notwendig ist, Kind und Mutter nicht verlegt werden.

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