Trotz neuer Kassen-Verträge bleiben Probleme

Viele Ärzte bleiben bei ihrer kritischen Einstellung zu Rabattverträgen. Sie fürchten verunsicherte Patienten und einen zu hohen Beratungsaufwand.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Verordnungs-Frage: Aut idem ankreuzen oder den Apotheker substituieren lassen?

Verordnungs-Frage: Aut idem ankreuzen oder den Apotheker substituieren lassen?

© Foto: imago

Daran ändert auch der aktuelle Vertrag der AOK nichts. Dr. Roswitha Gründemann etwa will auch künftig bei den von ihr bislang verordneten Generika bleiben, weil sie bei ihnen die Gewissheit hat, dass sie auch vorrätig sind und die Patienten auf das bekannte Medikament vertrauen.

Die Internistin aus Tarp will dafür auch künftig ihr Kreuz bei Aut idem setzen. "Ich halte gar nichts von Rabattverträgen, weil uns damit die Behandlung aus der Hand genommen wird. Für uns ist das eine Katastrophe", sagt sie. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass die Industrie bei der Produktion oft nicht hinterher gekommen sei.

Patienten nehmen auch Wartezeiten in Kauf

Ähnlich argumentiert Allgemeinmediziner Dr. Manfred Simon aus Kronshagen. Auch er setzt grundsätzlich das Kreuz bei Aut idem, damit seine Patienten auf der sicheren Seite sind. Das Problem für ihn: Er arbeitet in einer Einzelpraxis, in deren Umgebung den Patienten fünf Apotheken zur Auswahl stehen. Nicht immer halten sich die Apotheker an das Kreuz und bieten den Patienten ein anderes Präparat an, um Wartezeiten zu verkürzen. Simon hat aber die Erfahrung gemacht, dass seine Patienten nach Rücksprache mit ihm auf das empfohlene Medikament bestehen und dafür auch einen Tag Wartezeit in Kauf nehmen.

Ohne Aut idem, gibt Simon zu bedenken, wäre der Beratungsaufwand für ihn noch größer, weil ein ständiger Wechsel des Medikamentennamens und der Packung die Patienten verunsichert. "Der Rabattvertrag stellt aus meiner Sicht keinen Fortschritt dar. Meine Software zeigt sowieso automatisch die kostengünstigste Variante an", sagt Simon.

Dr. Svante Gehring aus Norderstedt zeigt sich überzeugt, dass mit Rabattverträgen kleinere Firmen vom Markt verdrängt werden. Nach seiner Einschätzung sind die Absprachen zwischen Kassen und Industrie nicht transparent genug. In seiner Praxis hat der hausärztliche Internist keine guten Erfahrungen gesammelt, seit es Rabattverträge gibt. Das Kreuz bei Aut idem setzt er nur, wenn die Patienten sich eine Zuzahlung leisten können - was aber bei vielen seiner chronisch Kranken nicht der Fall ist. Dann sucht Gehring oft das Gespräch mit dem Apotheker, um eine Lösung zu finden. Bei rund zehn Prozent seiner Patienten kommt es zu Diskussionen wegen der Rabattverträge. Zwei bis drei Mal pro Tag sind diese mit bis zu 15 Minuten so langwierig, dass sie den Praxisablauf blockieren.

Lange Laufzeit bietet Schutz vor Medikationswechsel

Dr. Wilken Boie dagegen hat kaum Patienten in seiner Praxis, die mit ihm über wechselnde Medikation diskutieren. Die häufig berichtete Aufregung der Patienten kann er nicht bestätigen, obwohl er das Kreuz bei Aut idem nur in Ausnahmefällen setzt. Das ändert aber nichts an seiner Haltung zu Rabattverträgen, die nach seiner Einschätzung weder für die Patienten, noch für Arzt oder Apotheker Verbesserungen bringen. Allerdings räumt er ein, dass die zweijährige Laufzeit des AOK-Vertrages einen gewissen Schutz vor ständigem Medikationswechsel bietet.

In der Praxis von Dr. Thomas Maurer nimmt der Beratungsaufwand wegen der Rabattverträge immer mehr zu. Die Patienten haben nach seinen Erfahrungen kein Verständnis dafür, dass sie ständig andere Packungen erhalten. Er wünscht sich, dass die Politik entweder den Ärzten volle Verordnungsfreiheit lässt, oder selbst die Verantwortung übernimmt und nur noch Generika zulässt.

Die derzeitige Situation mit der Verlagerung der Verantwortung in die Sprechzimmer findet der Allgemeinmediziner aus Nordfriesland unerträglich. Eine Erleichterung wäre aus seiner Sicht, wenn sich die Krankenkassen auf einheitliche Rabattverträge einigen könnten.

Lesen Sie dazu mehr: Special Rabattverträge

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