Bahr: Sparklausel ist nicht in Stein gemeißelt

Gesundheitsminister Bahr zeigt sich offen in der Diskussion um eine umstrittenene Klausel in Hausarztverträgen. Es müsse bei dieser - de facto - Honorarobergrenze nicht dauerhaft bleiben, ließ er bei einer Veranstaltung durchblicken.

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr im Gespräch mit Ärztin Kristin Hoyer beim Besuch der hausärztlichen Stiftungspraxis im thüringischen Weida.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr im Gespräch mit Ärztin Kristin Hoyer beim Besuch der hausärztlichen Stiftungspraxis im thüringischen Weida.

© Settnik / dpa

STUTTGART. In die hausarztzentrierte Versorgung könnte nach der Bundestagswahl Bewegung kommen. "Ohne möglichen Koalitionsverhandlungen vorgreifen zu wollen", räumte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr ein, den Paragrafen 73 b SGB V gegebenenfalls doch zu ändern.

Bei einer Veranstaltung der FDP/DVP-Fraktion Baden-Württemberg sagte Bahr im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung", er könne sich vorstellen, auf die enge wirtschaftliche Abhängigkeit zum Kollektivvertrag zu verzichten.

Hintergrund ist die von der Koalition 2011 eingeführte Regelung in Absatz 5a des Paragrafen 73 b, wonach höhere Vergütungen für Hausärzte im Vergleich zum Kollektivvertrag der KV durch Einsparungen kompensiert werden müssen.

Ende Mai hatte Bahr im Interview mit der "Ärzte Zeitung" noch klare Kante gezeigt. Er verwies damals auf den Bundesrat, der zuvor eine Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsklausel abgelehnt hatte. Weitere Beschäftigung mit dem Thema "lohnt nicht", erklärte Bahr Ende Mai.

Bahr lehnt Pflicht zu Hausarztverträgen weiter ab

Bahr lobte ausdrücklich das Engagement aller Beteiligten in Baden-Württemberg, auf freiwilliger Basis die Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung geschlossen zu haben. Dabei solle es auch bleiben. Eine Verpflichtung der Kassen zum Abschluss solcher Verträge lehnt Bahr weiterhin ab.

Bereits vor Wochen hatten sich Vertreter von Grünen und Union in Baden-Württemberg ähnlich geäußert.

Bahr forderte die Ärzte auf, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit etwa in Netzen zu nutzen. Ohne konkrete Einzelfälle zu benennen, kritisierte Bahr, dass es zu Verzögerungen bei der Genehmigung durch das Bundesversicherungsamt gekommen sei. Ziel müsse sein, die Versorgung in der Region zu stärken.

Zentralistischen Tendenzen erteilte Bahr eine klare Absage. Die Verantwortlichen vor Ort wüssten am Besten, wo es welchen Handlungsbedarf gibt.

In Richtung Opposition warnte er vor pauschalen Behauptungen, es gäbe eine Überversorgung. Bahr: "Konkret darauf angesprochen, bliebe man dann oft die Antwort schuldig."

Kein aktueller Handlungsbedarf beim AMNOG

Beim Thema Arzneimittelversorgung sieht Bahr aktuell keinen weiteren Handlungsbedarf. Somit bleibt es zunächst bei den Nachbesserungen zur zweckmäßigen Vergleichstherapie und der Preisfindung.

Anfang Juni hatte die Koalition kurzfristig zwei Stellschrauben im AMNOG neu justiert.

Zum einen ist die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie -  so die Koalition - "flexibilisiert" worden. Bisher galt, dass die wirtschaftlichere Alternative zu wählen ist, wenn evidenzbasiert mehrere Therapien Standard sind.

Künftig soll "der Zusatznutzen gegenüber jeder dieser Therapien nachgewiesen werden" können - dem Hersteller ist es also überlassen, gegenüber welcher der gleichermaßen zweckmäßigen Vergleichstherapien er den Nachweis über den Zusatznutzen erbringt.

Zum anderen hat die Koalition den bisher starren Algorithmus modifiziert, den die Schiedsstelle bei der Preisermittlung verwenden sollte.

Künftig soll der Schiedsstelle ein größerer"Ermessensspielraum" gegeben werden, um Erstattungsbeträge "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls" sowie der "Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes" zu bilden.

Zu Spekulationen beim Aufruf des Bestandsmarktes wollte sich Bahr nicht äußern. Bahr: "Dazu gibt es einen klaren Gesetzesauftrag, der zu erfüllen ist."

Auch in der Frage des Rabatts auf Generika ohne Festbetrag von 16 Prozent sowie beim Preismoratorium - beide Regelungen laufen zum 31. Dezember 2013 aus - verwies der Minister auf die gesetzlichen Vorgaben.

Seit Wochen wird darüber spekuliert, ob möglicherweise nach der Bundestagswahl beide Instrumente über Ende 2013 hinaus verlängert werden könnten, wenn im Gegenzug auf die Nutzenbewertung des Bestandsmarktes verzichtet werden würde.

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