In der Koalition wächst die Furcht vor dem Fonds

BERLIN (HL). Gut ein halbes Jahr vor Inkrafttreten des Gesundheitsfonds mit einem einheitlichen Beitragssatz und einem erweiterten Risikostrukturausgleich wächst bei Abgeordneten der Koalition die Sorge, ob das von ihnen vor mehr als einem Jahr verabschiedete Reformwerk wirklich alltagstauglich ist. Hinzu kommt Furcht vor Ärzten, wenn deren Vergütungsreform missrät.

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Seit Monaten streiten beispielsweise Experten und Politiker über die Konvergenzregel. Die wurde auf Betreiben von Bayern und Baden-Württemberg ins Reformgesetz geschrieben und soll die dortigen Regionalkassen vor Geldabflüssen schützen. Dass diese Regel lediglich Regionalegoismen bedient, zeigte Professor Eberhard Wille in einem Gutachten und jetzt erneut bei einer Tagung der Gesellschaft für Politik und Recht im Gesundheitswesen auf.

Bei einem Einheitsbeitragssatz würde beispielsweise den Berliner Regionalkassen ein Betrag von 260 Millionen Euro fehlen. Den müssten sie in Form einer Zusatzprämie erheben. Ursächlich für die hohe Berliner Beitragslast sei aber die teure Klinikinfrastruktur der Hauptstadt. Etwas anders sei die Situation der Südländer: Dort seien es die überdurchschnittlichen Arzthonorare, die die Regionalkassen belasteten.

Ist der Fonds alltagstauglich?

Noch heftiger als bei den Krankenkassen könnte das Ausmaß der Umverteilung bei den Arzthonoraren ausfallen. Die große Sorge von KVen in den Wohlstandsgebieten der Republik: Die EBM- und Vergütungsreform macht alle regionalen Honorarvertragserfolge zunichte. Ursächlich dafür ist, dass KBV und Kassen auf Bundesebene einen einheitlichen Orientierungspunktwert und die Morbiditätsmessung vereinbaren. Das wird auf die Region und die Arztpraxis heruntergebrochen: in Form eines Behandlungsbedarfs und eines Regelleistungsvolumens. Der Preis der Leistung ergibt sich dann aus dem regional vereinbarten Punktwert.

Damit, so die Sorge von Bayerns KV-Chef Dr. Axel Munte, entfallen alle Strukturverträge. Diese gut dotierten Verträge machten bei manchen Fachgruppen 40 Prozent des Gesamthonorars aus. Außerdem werde der Punktwert nicht bei 5,1, sondern vielleicht nur bei 3,8 Cent liegen. Mehr 500 Millionen Euro oder mehr als zehn Prozent des Honorars stünden auf dem Spiel.

Angesichts solcher Unwägbarkeiten fürchten die Krankenkassen ein Fiasko und malen Untergangsszenarien. Jedenfalls wird in Berlin keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, unter Koalitionsabgeordneten, die sich im nächsten Jahr der Wiederwahl stellen müssen, Verunsicherung zu schüren. So scheint der Vorschlag von DAK-Chef Herbert Rebscher, Fonds und Einheitsbeitragssatz zu verschieben, bei manchen Abgeordneten wie dem Unionspolitiker Rolf Koschorrek auf offene Ohren zu stoßen: "Im Moment hört man dazu wenig Gegenargumente." Das Problem sei aber, dass die Koalitionsspitzen keine Neigung zeigten, den Fonds zur Disposition zu stellen.

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