Vom ungeliebten Kind zum Massenphänomen
Nach Ansicht von Politik und Kassen tragen Disease-Management-Programme zu einer besseren Versorgung chronisch Kranker bei. Der Vorwurf der "Kochbuch-Medizin" habe sich als haltlos erwiesen.
Veröffentlicht:BERLIN. "Die Versorgung chronisch kranker Patienten ist sicher eine der ganz großen Herausforderungen unserer Zeit", sagte AOK-Chef Dr. Herbert Reichelt am Montag auf einer Tagung in Berlin. Die Disease Management Programme (DMP) seien eine der Antworten auf die Herausforderung gewesen - und zwar die richtige, wie Reichelt unterstrich. "DMP leisten einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Versorgung chronisch Kranker.".
Derzeit seien rund 5,7 Millionen gesetzlich Krankenversicherte in den Programmen eingeschrieben - allein bei der AOK seien es über zwei Millionen Versicherte. Wichtig sei gewesen, die Behandlungsprogramme an den Morbi-RSA zu koppeln. "Auf diese Weise wird Risikoselektion entgegengewirkt", so Reichelt. Die Krankenkassen bekämen finanzielle Anreize geliefert, um für eine bessere Versorgung chronisch kranker Menschen zu sorgen. Wegen der demografischen Entwicklung werde sich deren Zahl in den kommenden Jahren deutlich erhöhen. Schätzungen zufolge leiden derzeit 40 Prozent der Bundesbürger an mindestens einer chronischen Erkrankung. Erste Studien zur Wirksamkeit der DMP bezeichnete Reichelt als "sehr ermutigend". Dennoch gebe es "weiteres Potenzial", Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung chronisch Kranker zu verbessern.
Ministerium erwartet einen weiteren Schub an DMP.
Der Abteilungsleiter für Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung im Bundesgesundheitsministerium, Franz Knieps, erklärte, der anfängliche "erhebliche Widerstand" seitens der Ärzteverbände habe sich inzwischen gelegt und der Vorwurf der "Kochbuch-Medizin" als haltlos erwiesen. Die Verbindung der Einführung der Programme mit dem Risikostrukturausgleich unter den Kassen hätten die DMP zu einem "Massen-Phänomen" in der medizinischen Versorgungslandschaft gemacht.
Fast täglich erreichten ihn Briefe medizinischer Fachgesellschaften, in denen diese DMP für weitere Indikationen einfordern, berichtete Knieps. Für die nächsten Jahre erwarte er daher einen "weiteren Schub" an neuen Behandlungsprogrammen. Besonders dringlich seien diese für Patienten, die an psychischen Erkrankungen leiden, so Knieps.