Wie die Kassen den Ärztemangel vermeiden wollen

Bislang haben sich die Krankenkassen in der Debatte um einen drohenden Ärztemangel dezent zurückgehalten. Jetzt meldet sich ihr Spitzenverband zu Wort. Tenor: Deutschland braucht mehr Haus- und weniger Fachärzte.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Landarzt im Einsatz - aber wie lange noch? Politiker, Krankenkassen und Ärzteverbände sorgen sich zunehmend um die ärztliche Versorgung auf dem Dorf. © dpa

Landarzt im Einsatz - aber wie lange noch? Politiker, Krankenkassen und Ärzteverbände sorgen sich zunehmend um die ärztliche Versorgung auf dem Dorf. © dpa

© dpa

BERLIN. Mit der Forderung nach einem Ausbau der primärärztlichen Versorgung bei gleichzeitigem Abbau einer "Überversorgung im fachärztlichen Bereich" haben sich jetzt auch die Krankenkassen in die Diskussion um ein wirksames Konzept im Kampf gegen den Ärztemangel eingemischt.

Die vertragsärztliche Versorgung in Deutschland sei "nicht überall so, wie es wünschenswert wäre", heißt es in einem Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Die ambulante ärztliche Versorgung müsse differenzierter und sektorübergreifend organisiert werden, fordern die Kassen. Ähnlich hatten sich zuvor schon die KBV sowie Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) geäußert.

In vielen städtischen Regionen betrage die Arztdichte "ein Vielfaches" dessen, was zwischen Kassen und KBV vereinbart worden sei, stellen die Kassen fest. In ländlichen Regionen dagegen fehlten Ärzte, oder aber es sei eine Lücke an Medizinern zu erwarten, da frei werdende Arztsitze "zu einem großen Anteil" nicht wieder besetzt würden. Als besonders pikant stelle sich das Problem in vielen Kreisen Ostdeutschlands dar.

Um die Bedarfsplanung zukunftsfest zu machen, schlagen die Kassen gravierende Änderungen bei der Bedarfsplanung vor. Ziel sei eine größere Ausgewogenheit zwischen primär- und fachärztlicher Versorgung. Hierzu müsse das Netz an fachärztlichen Leistungen deutlich weiter gespannt werden als dies heute der Fall sei.

Das Netz an Haus-, Kinder- und Frauenärzten sei dagegen "engmaschig" zu knüpfen, um eine wohnortnahe Versorgung sicherzustellen. Der Bedarf an Ärzten sei künftig über Zeitkapazitäten und nicht mehr wie bisher über "Kopfzählungsplanung" zu ermitteln. Um den Bedarf an Fachärzten exakt voraussagen zu können, seien die stationären Versorgungskapazitäten mit zu berücksichtigen. Das gelte vor allem für ländliche Gebiete.

Für wünschenswert halten es die Kassen zudem, bestimmte fachärztliche Leistungen - etwa in der Kardiologie oder in der Rheumatologie - in Zentren oder Kliniken zu bündeln. Dieser Vorschlag dürfte auf die von den Kassen immer wieder kritisierte "doppelte Facharztschiene" abzielen. Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer, hatte zuletzt in einem Interview mit der Zeitschrift "VDI" erklärt, Doppelversorgung mache Patienten nicht gesünder, koste die Versicherten aber viel Geld (wir berichteten).

Um dem sich abzeichnenden Ärztemangel auf dem Land vorzubeugen, schlagen die Kassen zudem die Einrichtung von Gesundheitszentren vor. Diese Zentren könnten von Gemeindeschwestern geführt werden. Niedergelassene oder aber Klinikärzte könnten dort Sprechstunden abhalten. Denkbar sei auch, über Vergütungszuschläge mehr Ärzte in schlecht versorgte Gebiete zu locken.

Topthema Ärztemangel in Deutschland: Wie die Kassen den Ärztemangel vermeiden wollen Fachärzteverband fordert bessere Konditionen für Versorgung auf dem Land Neurologen wehren sich gegen Angriff des GKV-Spitzenverbands KBV-Chef wirft "Spiegel" falsche Behauptungen vor Juristen halten Landarztquote für falschen Ansatz Für Landräte gilt: Hausärzte als Hauptsache Ärztemangel: Senioren sichern Versorgung Von der Leyen fordert Nachwuchs-Initiative Ja zur Karriere - aber bitte mit Kindern! Schweizer mit Nachwuchssorgen bei Hausärzten Kommentar: Signal in die falsche Richtung

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen