Diabetes: Sparen auf kurze Sicht - dicke Rechnung am Ende

Eine Minimierung der Arzneikosten bei Diabetes behindert Innovationen, erhöht das Komplikationsrisiko und ist langfristig unwirtschaftlich.

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Bei Diabetikern sind Folgeerkrankungen teuer und kompliziert.

Bei Diabetikern sind Folgeerkrankungen teuer und kompliziert.

© klaro

MÜLHEIM (HL). Diabetes gehört zu den kostenträchtigen Volkskrankheiten - mit zunehmender Prävalenz. Waren 2007 noch etwa sieben Millionen Menschen erkrankt, so dürften es aktuell schon rund zehn Millionen sein. Diabetiker werden immer jünger, die Krankheitsdauer länger.

Folglich wächst das Risiko von Spätkomplikationen - und die sind es, die Diabetes für die Kassen und die Gesellschaft teuer machen, wie Dr. Gundula Schneidewind von Novo Nordisk bei einem gesundheitspolitischen Expertengespräch in Mülheim an der Ruhr deutlich machte. Die speziellen Probleme bei Diabetes:

  • Die Kosten pro Patient steigen mit der Krankheitsdauer von gut 1000 Euro im ersten auf fast 4000 Euro im siebten Krankheitsjahr. Kostentreiber sind die Komplikationen.
  • Die Grundkrankheit zu behandeln, kostet die Krankenkassen knapp 3,2 Milliarden Euro, die Komplikationen kosten fast 12,8 Milliarden Euro. Besonders teuer sind kardiale und cerebrale vaskuläre Ereignisse, das diabetische Fußsyndrom und Nierenerkrankungen.

Die Ausgaben- und Versorgungssteuerung ist allerdings nicht auf eine optimal kombinierte Therapie und nicht auf eine Begrenzung der Gesamtkosten orientiert, sondern vor allem bei Kassen und KVen bislang auf eine detaillistische Minimierung der Arzneimittelausgaben fixiert. Vor allem der Einsatz von innovativen Arzneimitteln, die im Vergleich zu älteren Therapien hohe Tagesbehandlungskosten verursachen, wird auf diese Weise erschwert.

Der Essener Diabetologe Dr. Ralph Bierwirth fordert einen Paradigmenwechsel in der Diabetes-Therapie: weg von der eindimensionalen Orientierung an der HbA1c-Senkung hin zu einer Kombination mit den Therapiefolgewirkungen der Blutzuckersenkung.

Dabei müsse allerdings individuell die Reaktion des einzelnen Patienten berücksichtigt werden, und zwar in Bezug auf die Blutzuckersenkung, das individuelle Risiko für Hypoglykämien und die Gewichtszunahme. Am Einzelfall beurteilt solle eine inkretinbasierte Arzneimitteltherapie als Option einbezogen werden. Deren Vorteil sei, dass Hypoglykämien vermieden werden, die Patienten Gewicht verlieren und weniger Teststreifen benötigen.

Allerdings: Für solche innovativen Therapieregimes sehen die Quotenregelungen nach den Arzneimittel-Zielvereinbarungen von Kassen und KVen - wie beispielsweise in Nordrhein - bislang einen Anteil von weniger als ein Prozent vor. Die Ableitung solcher Quoten ist intransparent. Ihre Gültigkeit für die einzelne Praxis ist schon aufgrund statistischer Ungleichverteilung von Patientenproblemen auf Praxen fragwürdig.

Für den Fall einer Wirtschaftlichkeitsprüfung sollten Ärzte ihre Entscheidung - und deren Begründung - präzise dokumentieren, empfehlen Bierwirth und sein Hausarzt-Kollege Dr. Frank Merfort aus Grevenbroich.

Einen Fortschritt dürfte die neue, ab 2011 geltende Arzneimittelvereinbarung in Nordrhein sein, die gerade fertig geworden ist. Danach gibt es keine restriktive Quotenvorgabe mehr für GLP-1-Analoga. Auch das Regressrisiko für Ärzte soll geringer sein. Bei Auffälligkeit eines Arztes soll es nur noch eine obligatorische Beratung geben.

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