Fusionskarussell bei den Kassen hat sich 2010 weitergedreht

169 gesetzliche Krankenkassen gab es Anfang vergangenen Jahres. Zu Beginn dieses Jahres ist die Zahl weiter auf 157 gesunken. Und ein Ende dieses Prozesses ist nicht in Sicht - ein Überblick.

Von Dieter Leopold Veröffentlicht:
Kassen über Kassen: Im vergangenen Jahr ist die Zahl auf 157 geschrumpft.

Kassen über Kassen: Im vergangenen Jahr ist die Zahl auf 157 geschrumpft.

© dpa

BERLIN. Die Zahl der Krankenkassen ist im vergangenen Jahr von 169 auf 157 geschrumpft. Insgesamt existierten am 1. Januar 2011 noch 225 selbstständige Sozialversicherungsträger (ohne Pflegekassen) in den alten und neuen Bundesländern.

Dazu gehören auch neun gewerbliche Berufsgenossenschaften und 24 öffentlich-rechtliche Unfallversicherungsträger sowie 16 Träger in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Grund für den zahlenmäßigen Rückgang der Krankenkassen sind nicht nur ein zunehmender Wettbewerb, die Einführung von Zusatzbeiträgen und der Zwang zum Sparen von Verwaltungskosten, sondern vor allem der Gesundheitsfonds mit einem bundeseinheitlichen Beitragssatz.

Seit seinem Start am 1. Januar 2009 hat sich die Kassen-Zahl durch Fusionen innerhalb von zwei Jahren um mehr als 60 verringert.

Vor 40 Jahren hat es noch über 1800 Kassen gegeben

Hatte es zum Jahreswechsel 2008/09 noch 215 gesetzliche Krankenkassen gegeben, waren es ein Jahr später 169 und zum 1. Januar 2011 nur noch 157. Zum Vergleich: Im Jahr 1970 hatten insgesamt 1815 Krankenkassen in den alten Bundesländern existiert.

1995 war ihre Zahl trotz Wiedervereinigung auf unter 1000 gesunken. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass es in einigen Jahren weniger als 100 Kassen geben wird.

AOK: Bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) hält die Bildung größerer Einheiten unvermindert an. Zum 1. Januar 2011 gab es noch zwölf AOK und damit zwei weniger als vor Jahresfrist.

Zum 1. April 2010 hatten sich nach längeren Auseinandersetzungen in der Selbstverwaltung beider Kassen die AOK Niedersachsen und die Innungskrankenkasse (IKK) Niedersachsen zusammengetan.

Zum 1. Oktober 2010 fusionierten die AOK Westfalen-Lippe und die AOK Schleswig-Holstein zur "AOK Nordwest - die Gesundheitskasse" in Dortmund. Die neue Krankenkasse mit 7600 Mitarbeitern vereinigt 2,8 Millionen Versicherte und gehört zu den zehn größten Krankenkassen bundesweit.

Eine Fusion zwischen der AOK Nordwest und der AOK Rheinland/Hamburg bleibt auf der Agenda - zumindest nach dem Wunsch der rheinischen AOK. Zusammen käme ein derartiges Gebilde auf rund 5,6 Millionen Versicherte.

Offen ist allerdings noch, wann Gespräche aufgenommen werden; denn beide Krankenkassen sind wirtschaftlich gesund und brauchen einen Zusammenschluss nicht zwingend.

Die zweite Fusion in jüngster Zeit betraf zum 1. Januar 2011 die AOK Berlin-Brandenburg mit der AOK Mecklenburg-Vorpommern zur "AOK Nordost" mit Sitz in Potsdam. Erst zum 1. Januar 2010 hatten sich die AOK Berlin und die AOK Brandenburg vereinigt.

Alle 112 Standorte der neuen Krankenkasse in den drei Bundesländern bleiben erhalten. Der geplante Zusammenschluss der AOK Plus (Sachsen und Thüringen) mit der AOK Hessen ist kurzfristig gescheitert.

Zwar hatte die Selbstverwaltung beider Krankenkassen den Weg für eine Fusion fest ins Auge gefasst. Die neue Krankenkasse sollte mit 4,2 Millionen Versicherten an den Start gehen. Doch erklärte der Verwaltungsrat der AOK Plus Ende November 2010 die Verhandlungen überraschend für beendet.

Heiraten die AOKen an der Saar und in Rheinland-Pfalz?

Die Rahmenbedingungen - so die offizielle Begründung - hätten sich in den vergangenen Monaten so verändert, dass die ursprünglich mit der Fusion anvisierten Ziele nicht mehr erreicht werden könnten.

Dem Vernehmen nach sollen die Pensionsverpflichtungen für Beschäftigte der AOK Hessen ein Knackpunkt bei den Verhandlungen gewesen sein.

Gespräche über eine weitere Fusion laufen derzeit zwischen der AOK Rheinland-Pfalz und der AOK Saarland. Sie können möglicherweise zum 1. Oktober 2011 abgeschlossen werden. Geplant ist auch die Vereinigung der beiden südwestdeutschen AOKen mit der IKK Südwest-Direkt.

BKK: Der Zahl nach am stärksten sind nach wie vor die Betriebskrankenkassen (BKK), wenngleich bei dieser Kassenart in den letzten Jahren auch die meisten Fusionen zu verzeichnen waren. Die Zahl der BKK ging im Verlauf des Jahres 2010 von 130 auf 122 zurück.

Während die Zusammenschlüsse von SBK (Siemens) und neue BKK, Audi BKK und BKK FTE, BKK Novitas und ktp BKK, Pronova BKK und BKK Der Partner, Bank-BKK und Neckermann-BKK zur Vereinigten BKK sowie von BKK Enka und Vereinigte BKK und von salvina bkk für Frauen und BKK Kassana ohne größere Probleme über die Bühne gingen, kam die Fusion zwischen der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) und der BKK Gesundheit nicht zustande.

Durch den Zusammenschluss wäre eine Krankenkasse mit mehr als sieben Millionen Versicherten entstanden. Während die DAK nach Fusionsgesprächen keine tragfähige Basis mehr für einen Zusammenschluss beider Krankenkassen sah, ließ die BKK verlauten, interne Ausschüsse hätten dem Verwaltungsrat empfohlen, die Eigenständigkeit derzeit beizubehalten.

Vor dem "Aus" hat die BKK-Gemeinschaft zwei ihrer Kassen gerettet. So erhält die City-BKK (190.000 Versicherte), die selbstständig erhalten bleibt, einen neuen Verwalter und im Laufe des Jahres auch einen Sanierungsvorstand.

Die Gemeinsame BKK in Köln (30.000 Versicherte) schlüpft wohl unter das Dach der BKK mhplus, die ein Übernahmeangebot vorgelegt hat. Die Rettung war notwendig geworden, weil das Bundesversicherungsamt anderenfalls mit der Schließung gedroht hatte..

IKK: Zunehmend weniger werden auch die Innungskrankenkassen (IKK). Von zwölf IKK zum Jahreswechsel 2009/10 hat sich ihre Zahl inzwischen auf sieben reduziert.

Den Auftakt zur Fusionswelle hatten am 1. Januar 2010 die IKK Baden-Württemberg und Hessen, die IKK Sachsen, die IKK Thüringen sowie die IKK Hamburg gemacht. Die Krankenkasse trägt jetzt den Namen "IKK classic".

Die einstigen "Aushängeschilder" des deutschen Handwerks schließen sich weiterhin zusammen, auch über Kassengrenzen hinweg. So hat sich zum 1. April 2010 die IKK Niedersachsen mit der AOK Niedersachsen vereinigt. Eine Fusion gab es zum 1. Juli 2010 auch zwischen der Signal Iduna IKK mit der IKK Nordrhein zur Vereinigten IKK (VIKK).

Ersatzkassen: Ihre Zahl stabil gehalten haben während des vergangenen Jahres die sechs Ersatzkassen (EK). Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung hatten noch 15 EK für Arbeiter und Angestellte existiert.

Auch diese Unterscheidung gibt es nicht mehr, nachdem die Arbeiter-EK mehr und mehr von der Bildfläche verschwunden sind. Für Furore hatte zum 1. Januar 2010 die Fusion von Barmer Ersatzkasse (BEK) und Gmünder Ersatzkasse (GEK) zur Barmer GEK gesorgt. Seither ist diese Krankenkasse mit 8,5 Millionen Versicherten Branchenriese in der GKV.

Andere Krankenkassen: Keine Veränderungen im Bestand gab es 2010 und zu Jahresbeginn 2011 bei der Knappschaft und den neun landwirtschaftlichen Krankenkassen.

Während die Knappschaft bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See angesiedelt ist, bilden die landwirtschaftlichen Krankenkassen ein gemeinsames Dach mit den jeweiligen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Von Beitragssatzerhöhungen, sind die Krankenkassen der Landwirte ausgenommen. Auch in den Gesundheitsfonds sind sie nicht einbezogen.

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