Hintergrund

Teure Leistungen bringen die Vereinigte IKK ins Schleudern

Das Beispiel der in Bedrängnis geratenen Vereinigten IKK zeigt, wie komplex das Management einer Kasse geworden ist. Denn der Morbi-RSA gleicht längst nicht alle Risiken aus. Zum Handicap wird vor allem eine hohe Zahl von Versicherten in Regionen mit teurem Leistungsangebot.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Gutes oder schlechtes Omen? Am Freitag, den 13. Mai, tagt der Verwaltungsrat der Vereinigten IKK. Sie steckt in finanziellen Schwierigkeiten, ein Zusatzbeitrag droht.

Auf der Sitzung möchte der Vorstand der Krankenkasse eine tragfähige Lösung für die Zukunft präsentieren können. Er hofft auf Hilfe aus dem IKK-System.

Die Vereinigte IKK hat fast 1,7 Millionen Versicherte und ist das Ergebnis mehrerer Fusionen. Zuletzt schloss sich die Signal Iduna IKK - hervorgegangen aus der Vereinigten IKK und der Signal Iduna BKK - am 1. Juli 2010 mit der IKK Nordrhein zusammen und kehrte zum Namen Vereinigte IKK zurück.

Mit der Kasse wollte der Zentralverband des Deutschen Handwerks sein Ziel einer großen Krankenkasse für das Handwerk verwirklichen.

Fusion mit der IKK Classic platzte im März

Mit der angestrebten Fusion der Vereinigten IKK mit der IKK Classic - diese hat rund 1,9 Millionen Versicherte - wäre das Ziel ein Stück näher gerückt. Vor allem aber hätte ein solcher Schritt den Druck von der Vereinigten genommen.

Die Fusion der beiden Innungskassen ist aber Ende März vom Verwaltungsrat der IKK Classic abgeblasen worden.

Die Vereinigte IKK hatte Ende 2010 ein negatives Jahresergebnis von 126 Millionen Euro, bei Leistungsausgaben von 4,1 Milliarden Euro. Sie habe aber gleichzeitig ein Verwaltungsvermögen von 160 Millionen Euro - etwa Gebäude und Grundstücke - und eine durchschnittliche Liquidität von 200 Millionen Euro, sagt der Vorstandsvorsitzende Werner Terlohr der "Ärzte Zeitung".

"Wir waren zu jedem Zeitpunkt zahlungsfähig", betont er. Die vorhandenen Rücklagen reichten aber nicht aus, um Ausgabenschwankungen auszubalancieren und einen ausgeglichenen Haushalt herzustellen. "Auch Ende 2011 wird inklusive aller Forderungen und Verpflichtungen ein Minus bleiben", sagt er.

Terlohr macht vor allem strukturelle Probleme für die Situation der Kasse verantwortlich. So habe sie kaum Versicherte im Osten, die von der Kostenstruktur her deutlich günstiger seien. Negativ schlage auch die hohe Zahl von Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen zu Buche, einem Kerngebiet der Kasse.

Der Gesundheitsfonds trägt solchen Faktoren keine Rechnung mehr. Die genauen Auswirkungen des zum 1. Januar 2009 eingeführten Fonds seien erst im Herbst 2010 deutlich geworden, sagt Terlohr.

Gerade der Krankenhausbereich sei im Osten viel kostengünstiger, bestätigt der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem. Durch den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich wirke sich die unterschiedliche Versicherten-Morbidität nicht mehr so stark auf die einzelnen Kassen aus. "Das Gewicht der Region schlägt jetzt stärker durch als früher", sagt Wasem.

Die Probleme mancher Kassen aufgrund der neuen Verteilungsmechanismen im Gesundheitsfonds machen nach seiner Einschätzung eine Grundsatzdebatte notwendig: "Wir müssen entscheiden, ob die Kassen die regionalen Strukturen und ihre Auswirkungen auf die Ausgaben steuern dürfen oder ob sie die Opfer der lokalen Verhältnisse sein sollen."

Die Vereinigte IKK muss jetzt eine Lösung finden. Auch das Bundesversicherungsamt sieht Handlungsbedarf. Die Kasse hat bei den anderen IKKen Strukturhilfe beantragt, berichtet Terlohr. Das heißt, die Schwesterkassen sollen einmalig Geld zur Verfügung stellen, das nicht zurück gezahlt werden muss. "Wir wären dann bereit, gemeinsam mit den anderen Kassen eine Strategie und ein Kostenmanagement zu planen."

Im IKK-Lager stößt das Ansinnen nicht nur auf Begeisterung. "Keiner wird das Geld einfach so als verlorenen Zuschuss geben", sagt ein IKK-Manager. Es sei überhaupt noch nicht klar, welche Gegenleistung die Kasse dafür bringen werde.

Die Vereinigte IKK habe viel zu lange mit der Erhebung eines Zusatzbeitrages gewartet und damit ihre Probleme verschärft, kritisieren mehrere Vertreter anderer Kassen. Ein weiterer Vorwurf: Sie hat zu lange nur auf Größe und Fusionen gesetzt und die notwendigen strukturellen Reformen vernachlässigt.

"Wir verschließen uns nicht der Hilfe, aber es müssen konsequente Maßnahmen wie die Erhebung eines Zusatzbeitrags und die Einhaltung eines strikten Sanierungskurses folgen", sagt der Vorstandsvorsitzende der BIG direkt gesund, Frank Neumann.

Trend geht wohl eher zu überregionalen Kassen

Gerade die Fusion mit der angeschlagenen IKK Nordrhein sei ein Fehler gewesen, glauben Insider. An der IKK Nordrhein war auch die AOK Rheinland/Hamburg interessiert.

"Uns hätte es nicht abgeschreckt, dass die Kasse nicht auf Rosen gebettet war", sagt der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg Wilfried Jacobs. Die Arbeitgeberseite der IKK Nordrhein habe jedoch das kassenartenübergreifende Zusammengehen abgelehnt.

Dabei hat wohl auch eine Rolle gespielt, dass ein solcher Zusammenschluss nicht zum Ziel einer großen bundesweiten Handwerkerkasse gepasst hätte.

Diese Idee hat aber ohnehin einen Dämpfer bekommen. Schließlich fusionieren die AOK Rheinland/Pfalz, die AOK Saarland und die IKK Südwest zum 1. Oktober zur AOK IKK Südwest.

Der Chef der Vereinigten IKK hält für seine Kasse nach wie vor eine Fusion innerhalb des IKK-Systems für die beste Lösung. "Langfristig sind wir als Kassenart sehr gut aufgestellt. Eine bundesweite IKK wäre wünschenswert", sagt Terlohr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der nackte Preiswettbewerb

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