Kassen-Klage stellt BKK-System in Frage

Den Schuldenberg der BKK für Heilberufe mussten 2004 andere Kassen im BKK-System abbauen. Gegen diese Umverteilung klagt nun eine Kasse - mit unkalkulierbaren Folgen.

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Wie weit geht die Kassensolidarität? Darüber entscheidet jetzt Justitia.

Wie weit geht die Kassensolidarität? Darüber entscheidet jetzt Justitia.

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KÖLN (iss). Am Donnerstag geht es beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen um die Solidarität zwischen den Krankenkassen.

Das LSG verhandelt über eine Klage der Betriebskrankenkasse Vereinigte Deutsche Nickel-Werke (BKK VDN) gegen den BKK-Bundesverband. Strittig ist die Höhe der Umlage, mit der sich die BKK VDN an den Finanzhilfen für die BKK für Heilberufe beteiligen musste.

Die 1996 gegründete BKK für Heilberufe war wegen ihres günstigen Beitragssatzes sehr stark gewachsen, dem Ansturm der Versicherten aber nicht gewachsen. Als die Ausgaben stiegen, versäumte das Management, rechtzeitig den Beitragssatz anzuheben. Die Folge war ein Schuldenberg von 365 Millionen Euro.

Ende 2004 organisierte der Bundesverband eine Finanzhilfe: ein Zuschuss von 200 Millionen Euro über mehrere Jahre plus ein Darlehen von 100 Millionen Euro. Die anderen BKKen wurden am Zuschuss je nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligt. Diese bemaß sich am - damals noch individuellen - Beitragssatz.

Gegen die asymmetrische Finanzierung der Umlage haben viele Kassen geklagt, zurzeit laufen drei Musterverfahren. Das LSG Baden-Württemberg hat eine Klage der BKK Scheufelen abgelehnt, vor dem LSG Bayern ist eine Klage der BKK ATU anhängig. Am Ende wird das Bundessozialgericht entscheiden.

Wettbewerb und Solidarität: Was überwiegt?

"Die zentrale Frage ist: Wie weit geht der Wettbewerbsgedanke in der GKV, und wie weit geht der Solidargedanke?", sagt Dr. Mark Wilhelm von der Kanzlei Wilhelm Rechtsanwälte, die den Bundesverband vertritt. Das Solidarprinzip rechtfertige die stärkere Belastung von Kassen mit höherer Finanzkraft aufgrund struktureller Vorteile.

Ein gleicher Beitrag für alle - also auch schwächere - Kassen hätte die nächsten Problemfälle ausgelöst, sagt der Rechtsanwalt. Der Bundesverband habe eine Lösung finden müssen, die das BKK-System funktionsfähig hielt. "Die Solidargemeinschaft funktioniert nur, wenn alle zusammenhalten - unabhängig davon, welche Fehler gemacht wurden", betont Wilhelm.

Sollten sich die klagenden Kassen durchsetzen und das Umlageverfahren kippen, könnte dies das Solidarsystem der GKV in Frage stellen, glaubt er. Zudem würde eine Rückabwicklung der Finanzhilfe unkalkulierbare Folgen haben, die BKK für Heilberufe müsste schließen. "Wollen die klagenden Kassen das BKK-System sprengen?", fragt Wilhelm.

Die BKK VDN will sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. "Das solidarische Umlageverfahren gehört zur GKV", sagt die Sprecherin des BKK-Bundesverbands Christine Richter. Der Verband habe "unzumutbare Härten" vermeiden wollen.

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