GBA erweitert Kompetenz der Pflege

Pflegekräfte könnten bald als Leistungerbringer gelten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dafür die Weichen gestellt. Ärzte sehen diesen diese Übertragung allerdings mit gemischen Gefühlen.

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Schwester allein zu Haus: Die Ärzteschaft sieht die Kompetenzausweitung der Pflege mit Skepsis.

Schwester allein zu Haus: Die Ärzteschaft sieht die Kompetenzausweitung der Pflege mit Skepsis.

© Christian Thiel / imago

BERLIN (af/iss). Der Arzt stellt die Diagnose und beschreibt einen Behandlungskorridor. Dann übernimmt eine besonders qualifizierte Pflegekraft die Therapie und die fachlich, wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung.

Dieses Szenario soll nach dem Willen der Partner in der Selbstverwaltung in Modellversuchen erprobt werden, zunächst in den Indikationen Bluthochdruck, Demenz, chronische Wunden sowie Diabetes mellitus 1 und 2.

Mit dem einstimmig gefassten Beschluss der Heilkunderichtlinie, dem das Gesundheitsministerium noch zustimmen muss, setzt der GBA einen 2008 erteilten Auftrag des Gesetzgebers um.

"Eigenständige Berechtigung der Pflegeberufe"

Damit hat sich ein vom GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Pflegerat entwickelter Vorschlag durchgesetzt.

"Wir haben es hier nicht nur mit reiner Delegation, sondern durchaus auch mit eigenständigen Berechtigungen der Pflegeberufe zu tun, heilkundliche oder ärztliche Tätigkeiten auszuüben", sagte der unparteiische Vorsitzende des Ausschusses Dr. Rainer Hess.

Die Reaktionen aus der Ärzteschaft sind gespalten. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, hatte den Gesetzgeber bereits im Vorfeld der Entscheidung aufgefordert, diesen Auftrag zurückzunehmen.

"Für Patienten brandgefährliche"

Montgomery erteilte der Substitution ärztlicher Tätigkeiten eine klare Absage. "Wenn wir vom Facharztstandard abweichen, ist das rechtlich problematisch und für die Patienten brandgefährlich", warnte Montgomery.

Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, treibt der Beschluss ebenfalls Sorgenfalten auf die Stirn.

Er halte die Modellversuche für einen Versuch, eine für die Kassen preisgünstigere Parallelversorgung aufzubauen, sagte er der "Ärzte Zeitung".

"Diagnose und Therapie in ärztlicher Hand lassen"

Windhorst hält es für fraglich, die Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus oder das Wundmanagement Pflegekräften zu überlassen.

"Natürlich kann man das Wundmanagement delegieren, aber ein Arzt muss kontrollieren, ob die Diagnose noch stimmt."

Der Arztberuf werde nicht dadurch attraktiver, dass man ihn beschneide, so Windhorst. "Diagnose und Therapie müssen in ärztlicher Hand bleiben."

Überweisen darf nur der Arzt

Keine Berührungsängste zeigte dagegen für die Hausärzte zuständige KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller, der die Richtlinie mit beschlossen hat. Er versuchte in einer ersten Stellungnahme, den Beschluss den Ärzten schmackhaft zu machen.

Zu den Modellversuchen gehöre auch, Teamarbeit und Kommunikation im Gesundheitswesen zu verbessern, sagte Müller, der für möglichst viel Entlastung der Ärzte eintrat.

Geplant sei, dass Pflegekräfte zum Beispiel Podologie und Hilfsmittel verordnen dürften. Überweisen dürfe aber nach wie vor nur der Arzt.

Spezielle Ausbildung für Pflegeberufe

Vertreter des GBA wiesen darauf hin, dass der Beschluss ohnehin schon geübte Praktiken von Substitution ärztlicher Tätigkeiten legalisiere.

Der Vorsitzende des Deutschen Pflegerates Andreas Westerfellhaus machte darauf aufmerksam, dass an den Modellversuchen teilnehmende Pflegekräfte zunächst eine spezielle Ausbildung durchlaufen müssten.

"Die Kompetenzen der Pflege werden anerkannt", interpretierte Bernd Tews vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste den Beschluss.

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