Union hält an Praxisgebühr fest - und erwägt Beitragssenkung

In der Debatte um die Zukunft der Praxisgebühr hat jetzt die CDU/CSU ihre Position bezogen: Sie ist gegen eine Abschaffung und stellt sich somit gegen ihren Koalitionspartner FDP. Unionsfraktionschef Kauder erwägt dafür, den Kassenbeitrag zu senken.

Veröffentlicht:
In der Frage um die Zukunft der Praxisgebühr sind sich CDU/CSU und FDP uneins.

In der Frage um die Zukunft der Praxisgebühr sind sich CDU/CSU und FDP uneins.

© Sven Weber / panthermedia

BERLIN (dpa/sun). Trotz entsprechender Forderungen aus der FDP wird die Praxisgebühr voraussichtlich nicht abgeschafft.

"Pläne zur Abschaffung der Praxisgebühr gibt es in der Bundesregierung nicht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) lässt derzeit eine Reform der Gebühr prüfen. "Wir werden in diesem Jahr über die Praxisgebühr und das Einzugsverfahren beraten", kündigte eine Sprecherin an.

Spahn: "FDP will sich wieder auf zehn Prozent kaufen"

Zwischen Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen brach jetzt ein Streit über das Thema aus. Aus der FDP waren Forderungen nach einer Abschaffung oder Aussetzung der Zehn-Euro-Gebühr für Arztbesuche laut geworden. Dazu sollte nach ihren Vorstellungen ein Teil der 19,5 Milliarden Euro schweren Rekordreserve der gesetzlichen Krankenversicherung genutzt werden.

Die Union wehrte sich vehement: Wie zuvor CSU-Politiker Johannes Singhammer lehnt es der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), ab, die 2004 eingeführte Praxisgebühr abzuschaffen: "Eine ersatzlose Streichung ist keine Lösung. Die FDP will sich mit zehn Euro wieder auf zehn Prozent kaufen."

Spahn weiter: "Für uns gilt der Koalitionsvertrag. Dort haben wir vereinbart, das System der Praxisgebühr zu entbürokratisieren. Übrigens auf Wunsch der FDP. Bis heute warten wir auf konkrete Vorschläge."

Kauder für Beitragssenkung

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) erteilt den FDP-Plänen zur Praxisgebühr eine Absage. "Vorrangiges Ziel muss (...) sein, die Finanzierung des Gesundheitssystems dauerhaft zu stabilisieren", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag). Wegen der Bevölkerungsentwicklung werde die Zahl der Beitragszahler sinken, die Krankenkassen-Ausgaben würden wohl steigen.

"Es ist fehl am Platz, vor diesem Hintergrund nun über eine Streichung der Praxisgebühr nachzudenken", sagte Kauder. Sie trage zum soliden finanziellen Fundament der Kassen bei. Falls Spielräume vorhanden seien, sollte eine Senkung des Beitrags erwogen werden. "Denkbar sind 0,1 Prozent. Aber auch dies sollte genau geprüft werden."

Jens Spahn bewertet Kauders Vorschlag als einen sehr guten Kompromiss angesichts der teilweise absurden Begehrlichkeiten, die die hohen Rücklagen in den letzten Tagen geweckt hätten. "So profitieren alle Versicherten gleichermaßen. Und sie ist gleichzeitig so moderat, dass genug Rücklagen für schlechte Zeiten bleiben", sagte der CDU-Gesundheitspolitiker.

Die Praxisgebühr spült jährlich zwei Milliarden Euro zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Debatte wurde angeheizt, weil die GKV - also die einzelnen Krankenkassen sowie ihre Geldsammelstelle Gesundheitsfonds - derzeit ein Finanzpolster von 19,5 Milliarden Euro hat. So sind allein 4,4 Milliarden Euro aus dem Fonds nicht gebunden.

SPD und Linke wollen Abschaffung

Auch in der SPD und bei den Linken wird ein Aus für die Gebühr gefordert. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte: "Mit der Abschaffung der Praxisgebühr haben Patienten wieder mehr Geld im Portemonnaie und Ärzte und ihre Mitarbeiter weniger Bürokratie zu bewältigen."

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte den "Ruhr Nachrichten": "Die Praxisgebühr ist überholt."

Ein Ärztetag forderte bereits 2008 die Abschaffung der Gebühr. Bei den Ärzten ist sie unbeliebt, weil die Arztpraxen die Gebühr einziehen müssen, das Geld dann aber an die Kassen fließt.

Innovationen in der Versorgung gefordert

Aus Sicht einiger FDP-Politiker sollen die Kassen jedoch vor allem eines nicht: Die Milliarden bunkern. "Die Krankenkassen müssen den finanziellen Spielraum für Innovationen in der Versorgung der Versicherten nutzen", forderte FDP-Politiker Lars Lindemann.

Viele Kassen zahlten keine Prämien an ihre Versicherten aus. Allerdings seien sie nach wie vor auch beim Abschluss von Selektivverträgen zurückhaltend – und das seitdem die Anschubfinanzierung eingestellt worden sei.

Dafür gebe es angesichts der hohen Überschüsse aber nun keinen Grund mehr, so Lindemann: "Sie haben die Möglichkeit, die Versicherten an der durchaus guten wirtschaftlichen Situation über verbesserte und qualitativ hochwertige Leistungen partizipieren zu lassen."

KBV: "Überschüsse sollten in die Versorgung fließen"

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung begrüßte die Vorschläge. "Die Kassen haben zurzeit hohe Überschüsse, die in die Versorgung der Patienten fließen sollten", sagte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler der "Ärzte Zeitung".

Die Krankenkassen müssten sich auf eine veränderte Versorgungslandschaft einstellen, wie zum Beispiel die Zunahme psychischer oder dementieller Erkrankungen. Die innovativen Versorgungsangebote würden langfristig allen Versicherten im Kollektivvertrag zugutekommen.

Der GKV-Spitzenverband konterte umgehend Lindemanns Ratschläge. "Die Kassen unternehmen immer das für die Versorgung Notwendige, insofern sind solche Ermahnungen nicht notwendig", sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, zur "Ärzte Zeitung".

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Abrechnung

SpiFa meldet sich zu Hybrid-DRG

Krankenhaus-Reformpläne

Fachkräftemangel könnte Umbau der Kliniklandschaft beschleunigen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Aktuelle Forschung

Das sind die Themen beim Deutschen Parkinsonkongress

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert