Gesundheitsfonds soll bluten

Der Goldrausch bei den Krankenkassen hat die Kreativität der Bundespolitiker beflügelt: Sie wollen einen Teil vom Kuchen für den Bundeshaushalt. Der Plan ist offenbar beschlossene Sache.

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Eintracht mit erhobenem Zeigefinger: Schäuble und Bahr.

Eintracht mit erhobenem Zeigefinger: Schäuble und Bahr.

© Reiner Zensen / imago

BERLIN (nös). Jetzt also doch: Der Gesundheitsfonds, der vor Überschüssen strotzt, soll einen Teil seiner Gelder einmalig an den Bundeshaushalt abgeben.

Im Gegenzug sollen künftig private Pflegezusatzversicherungen finanziell gefördert werden. Darauf haben sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verständigt. Die Pläne waren bereits Anfang der Woche bekannt geworden.

Beide Ministerien bestätigten den Kompromiss am Freitag in Berlin, wollten sich zu Details aber nicht äußern. Die Eckwerte für den Haushaltsentwurf 2013 sollen am kommenden Mittwoch im Kabinett beschlossen werden.

Die Diskussion um die Überschüsse war im Februar losgetreten worden, kurz bevor die offiziellen KV45-Zahlen zu den Kassenfinanzen im vergangenen Jahr vorgestellt wurden.

Zusammen mit den Krankenkassen hat der Gesundheitsfonds ein sattes Finanzpolster von fast 20 Milliarden Euro angehäuft.

Allein 9,5 Milliarden Euro Überschüsse verzeichnet der Fonds. 5 Milliarden sind allerdings für versicherungsfremde Leistungen zweckgebunden, etwa die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen.

Zuschuss nicht benötigt

Zwei Milliarden Euro davon gehen auf einen einmaligen Steuerzuschuss für das Jahr 2011 zurück. Den hatte die Regierung damals für den Sozialausgleich in den Fonds gepumpt, da sich von steigenden Zusatzbeiträgen ausgegangen ist.

Mit dem Zuschuss sollten vor allem Geringverdiener entlastet werden, falls sie durch steigende Zusatzbeiträge über Gebühr belastet würden.

Doch wegen der guten konjunkturellen Entwicklung haben bis zum Jahresanfang 2012 alle Kassen angekündigt, keine neuen Zusatzbeiträge zu erheben, oder bestehende im Laufe des Jahres wieder abzuschaffen.

Der Steuerzuschuss wird damit schlicht nicht mehr gebraucht und soll deswegen nun zur Sanierung des Bundeshaushalts beitragen.

Im Gegenzug für den Griff in den Gesundheitsfonds hat Bahr offenbar eine staatliche Zuschusslösung für private Pflegezusatzversicherungen rausgehandelt.

Ähnlich wie bei der Riester-Rente sollen Versicherte mit geringem Einkommen Zuschüsse erhalten können. Gutverdiener sollen die Beiträge hingegen von der Steuer absetzen dürfen.

Die Einführung privater Zusatzpolicen in der Pflege ist Bestandteil des Koalitionsvertrags von Schwarz-Gelb.

Warnung von den Kassen

Doch dürfte die Diskussion um die Milliardenüberschüsse in der GKV auch nach dem jetzt gefundenen Kompromiss weitergehen. Denn auch auf weitere rund 4,4 Milliarden Euro Fondsüberschuss könnte die Regierung theoretisch verfügen.

Hier hat sich in den letzten Wochen eine Diskussion über die Abschaffung der Praxisgebühr entzündet. Vor allem aus den Reihen der FDP wurden Rufe nach einer Abschaffung oder alternativ einer Reform lauter.

Im Bundesgesundheitsministerium werden derzeit verschiedene Optionen durchgerechnet - ergebnisoffen, wie es heißt. Die CDU hatte zudem als Option eine dauerhafte Beitragssenkung ins Spiel gebracht.

Die Rede war von 0,1 Prozentpunkten, damit würde der Beitragssatz auf 15,4 Prozent sinken.

Die Krankenkassen warnten angesichts der jetzigen Einigung und der Diskussion über die Praxisgebühr, die Finanzreserven der GKV zu verschleudern.

"Diese Entscheidung stellt das Vertrauen in einen verlässlichen Sozialausgleich in Frage", sagte der Chef des AOK-Bundesverbands, Jürgen Graalmann, am Freitag in Berlin.

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