Zuckerbrot und Peitsche für deutsche Kliniken

Erst Freude, jetzt Entsetzen bei den Kliniken: Erst beschließt die Koalition eine Finanzspritze von 300 Millionen Euro, jetzt will sie die Zahl der Operationen verringern. Die Kassen applaudieren, die Krankenhausverbände sind empört.

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Nach Meinung der Koalition finden in deutschen Kliniken zu viele Operationen statt.

Nach Meinung der Koalition finden in deutschen Kliniken zu viele Operationen statt.

© Jochen Tack / imago

BERLIN (sun). Erst hat es eine Finanzspitze in Höhe von 300 Millionen Euro für die rund 2000 Krankenhäuser gegeben, jetzt folgt prompt der nächste Streich der Koalition: Künftig sollen Operationen in den Kliniken eingedämmt werden.

Gesundheitsexperten warnten davor, dass in diesem Fall vor allem ältere Menschen betroffen wären. Die Krankenkassen könnten sich weigern, ihnen notwendige Operationen zu bezahlen.

CDU-Politiker Jens Spahn verteidigte die Pläne. "Wir wollen die Menschen vor solchen unnötigen Operationen schützen, die nur gemacht werden, damit das Krankenhaus oder der Arzt Kasse machen kann", sagte Spahn der "Ärzte Zeitung".

Menschen müssten jedoch unabhängig vom Alter und Einkommen medizinisch notwendige Leistungen erhalten. Dazu gehörten ausdrücklich auch Hüft- und Knie-Operationen. Zudem gebe die Koalition den Krankenhäusern mehr Geld für die Versorgung der Menschen.

Weniger Klinik-Ops gefordert

Gesundheitsminister Daniel Bahr hatte zuvor betont, dass Experten an der Notwendigkeit vieler Knie- und Hüftprothesen zweifeln. Auch in der Union wird angezweifelt, dass die jährlich steigenden Ausgaben für Kliniken allein auf die wachsende Morbidität zurückzuführen sind.

Die schwarz-gelbe Koalition will nun die Anzahl der Operationen verringern, indem sei auf zwei Jahre befristet, Mehrleistungsabschläge eingeführt.

Sprich: Steigen die Operationszahlen in Kliniken stark an, müssten diese Abschläge bei der Bezahlung in Kauf nehmen. Das geht aus den "Eckpunkten zur Krankenhausfinanzierung" hervor, die der "Ärzte Zeitung" vorliegen.

Einigkeit gibt es in der Koalition offenbar aber noch nicht, wann die zweijährigen Abschläge bei steigenden Behandlungszahlen eingeführt werden sollen.

Auf Kosten der Qualität der Operationen?

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ist das Instrument der falsche Weg, um die Anzahl der Operationen zu steuern.

"Es birgt die Gefahr, dass Patienten in andere Kliniken verwiesen werden könnten, die die entsprechende Operation vielleicht nicht so häufig durchführen", sagte der Sprecher der Gesellschaft, Professor Hartwig Bauer, der "Ärzte Zeitung".

Das könnte auch auf Kosten der Qualität der Operation gehen. Zudem dürfe die Politik nicht die Indikation der Ärzte infrage stellen. Gleichwohl müsse gegen unnötige Operationen gegengesteuert werden, räumte Bauer ein.

Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Josef Düllings. Er verwahrte sich gegen Mengenbegrenzungen bei bestimmten Operationen.

Über die Notwendigkeit entscheide allein die medizinische Indikation, betonte er am Donnerstag auf der Jahrestagung des Verbandes in Potsdam.

"Darüber darf weder das Alter des Patienten entscheiden, noch darf es eine Begrenzung der Zahl bestimmter Eingriffe geben. Das ist ethisch nicht vertretbar" betonte er. "Ich halte es eines wirtschaftlich starken Landes für unwürdig, darüber zu diskutieren."

DKG reagiert empört

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) reagierte empört: Die Koalition verkenne die Zahlen, sagte DKG-Sprecher Moritz Quiske. Die Menschen würden immer älter und nach 15 Jahren bräuchten viele eine zweite OP. Ansonsten wären sie im Alter nicht mehr beweglich.

Der GKV-Spitzenverband widersprach: Die Mengensteuerungen ließen sich nicht allein mit einer älter werdenden Bevölkerung begründen, sagte Ann Marini, stellvertretende Verbands-Sprecherin der "Ärzte Zeitung".

Zudem seien Krankenhäuser Kostentreiber Nummer eins in der gesetzlichen Krankenversicherung.

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