TK denkt um

Prämien fürs Volk

Vorbild Frau Holle: Die zweitgrößte deutsche Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse, will Prämien ausschütten. Jetzt gibt es Millionen für Millionen. Geld dafür hat die TK genug - noch.

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Frau Holle: Arbeitet sie auch bei der TK?

Frau Holle: Arbeitet sie auch bei der TK?

© Schöning / imago

BERLIN (nös/sun). Auch wenn er auf seinen offiziellen Ehrentag noch gut zwei Monate warten muss - Gesundheitsminister Daniel Bahr muss sich heute wie ein Geburtstagskind fühlen.

Denn sein seit Monaten beständig wiederholter Wunsch wird wahr - zumindest ein bisschen: Eine erste große deutsche Krankenkasse will Prämien ausschütten - die Techniker Krankenkasse (TK).

Immerhin ist die TK mit rund acht Millionen Versicherten nach der Barmer GEK die größte deutsche Einzelkasse. Profitieren würden etwa 5,7 Millionen Mitglieder, wenn der Verwaltungsrat den Vorschlag des Vorstands am 12. Oktober abnickt.

Wie hoch die Prämie ab dem 1. Januar 2013 ausfallen soll, ist noch offen. TK-Vorstandschef Dr. Jens Baas erwartet eine Größenordnung zwischen 60 und 100 Euro pro Jahr.

Manche Medien spekulieren derweil, die Prämie könnte sogar größer als 100 Euro ausfallen - die Rede ist von 120 Euro pro Jahr und Mitglied.

Das Finanzpolstern der Kasse ließe das zumindest zu: Allein im vergangenen Jahr hat die Kasse 973 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet. Im ersten Halbjahr 2012 ist noch einmal gut eine halbe Milliarde Plus hinzugekommen.

100 Euro Prämie würde im TK-Haushalt mit rund 570 Millionen Euro zu Buche schlagen, zuzüglich Verwaltungskosten für Anschreiben, Überweisung und Schecks.

Praxisgebühr - auch disponibel

Ein früher Vogel ist die TK mit der Prämie allerdings nicht. Schon heute überweisen neun Krankenkassen Prämien an ihre Mitglieder, üblich sind 60 oder 72 Euro im Jahr - Spitzenreiter ist bislang die BKK Aesculap mit 100 Euro.

Allerdings handelt es sich überwiegend um kleine Betriebskrankenkassen. Auffallend ist jedoch die Überschussquote je Mitglied.

Beispiel hkk, die 60 Euro Prämie zahlt: Sie hat 2011 einen Pro-Kopf-Überschuss von 167 Euro erwirtschaftet (mit 245.820 Mitgliedern). Ähnlich auch die TK: Bei ihr betrug der Überschuss je Mitglied 170 Euro.

Auch die Daimler BKK kommt auf immerhin 136 Euro Überschuss pro Mitglied. Sie zahlt an ihre rund 176.000 Beitragszahler 60 Euro im Jahr. Noch besser geht es der mit 5700 Mitgliedern kleinen BKK Textilgruppe Hof: Sie hat 2011 einen Pro-Kopf-Überschuss von 242 Euro erwirtschaftet - und zahlt 60 Euro Prämie.

Trotz Prämie bleibt TK-Chef Baas allerdings verhalten. Für ihn ist die gute Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen und des Gesundheitsfonds "nur ein temporäres Problem".

Zur Erinnerung: Die Rücklagen in der GKV sind im ersten Halbjahr 2012 auf satte 22 Milliarden Euro gestiegen. Experten von Kassenseite gehen jedoch davon aus, dass spätestens ab 2014 eine "Depression" bei den Kassenfinanzen eintritt.

Die gesetzlich Versicherten halten denn auch wenig von Prämienzahlungen. Eine repräsentative Umfrage für den BKK-Bundesverband kam jüngst zu dem Ergebnis, dass lediglich 20 Prozent der GKV-Versicherten angesichts der Überschüsse Barauszahlzungen wünschen.

Der größte Teil, 74 Prozent, sprach sich dafür aus, die Gelder im System zu belassen. Womöglich hat sich unter den Versicherten bereits herumgesprochen, dass ihnen von den Prämien nicht viel bleibt - sie sind schließlich steuerpflichtig.

Kritik von der AOK

Nichtsdestotrotz hatte Gesundheitsminister Bahr in den vergangenen Monaten gebetsmühlenartig die Kassen mit dicken Finanzpolstern zu Überschüssen gedrängt. Notfalls, drohte er, müsse man die Kassen qua Gesetz zu ihrem Glück, nämlich Prämienzahlungen, zwingen.

Auch die Praxisgebühr sollte nach seinem Willen fallen. Unterstützung für diesen Vorschlag erhält Bahr von TK-Chef Baas. Die Kasse generiert damit bislang zwar 200 Millionen Euro jährlich, hat diese Einkommensquelle offenbar aber für verzichtbar.

Die Abschaffung der Praxisgebühr sei jedoch bürokratisch nicht machbar gewesen, so Baas. Auch die Leistungen hätte die TK nicht mehr ausweiten können, jedenfalls nicht "medizinisch sinnvoll". So sei nur ein Weg geblieben, die Überschüsse der Krankenkasse an die Mitglieder weiterzugeben: Prämien auszuschütten.

Gesundheitsminister Bahr begrüßte den Vorstoß der TK am Dienstag. Schon mit der Ankündigung einer Prämienzahlung wird aus seiner Sicht der Wettbewerb intensiviert, weil der Druck auch auf andere Kassen steigen werde, dem Beispiel der TK zu folgen. Bahr: "Weitere Kassen werden dem Beispiel der Techniker Krankenkasse folgen."

Dem widersprach die Barmer GEK umgehend: Ihr sei "ein attraktives Leistungsportfolio wichtiger als eine verhältnismäßig geringe Prämienausschüttung", sagte ein Sprecher der "Ärzte Zeitung".

Die AOK kritisierte die Pläne der TK scharf: Aus ihrer Sicht handelt es sich lediglich um eine "Fangprämie für Neukunden". Die AOK selbst setze hingegen auf Stabilität statt "auf kurzfristiges Prämien-Jojo", sagte Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes.

CDU-Politiker Jens Spahn bezeichnete die Pläne der TK hingegen als "mutigen Schritt". Es sei sehr zu begrüßen, dass die TK ihre Versicherten an "ihren enormen Überschüssen teilhaben lassen wird", sagte Spahn.

Grünen-Politikerin Birgitt Bender forderte die Bundesregierung auf, den Krankenkassen ihre Beitragssatzautonomie zurückzugeben. "Könnten diese wieder selber entscheiden, käme es erst gar nicht zu derartigen Anhäufungen von Geld bei einzelnen Kassen", so Bender.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Techniker Kasse - Bahrs Liebling

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