Krankenkassen

Bahr nimmt Wahltarife aufs Korn

Selbstbehalttarife der Krankenkassen in ihrer heutigen Form stehen vor dem Aus. Dafür will Gesundheitsminister Bahr sorgen. Die Kassen sehen ihre Felle im Wettbewerb mit der PKV davonschwimmen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Krankenkassen sollen ihre Wahltarife kostendeckend kalkulieren, findet Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr

Die Krankenkassen sollen ihre Wahltarife kostendeckend kalkulieren, findet Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr

© Wolfgang Kumm / dpa

BERLIN. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will die Krankenkassen verpflichten, ihre Wahltarife in sich kostendeckend zu kalkulieren.

Quersubventionierungen zu Lasten des gesamten Versichertenkollektivs sollen spätestens Ende 2014 der Vergangenheit angehören. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Es geht vor allem um Selbstbehalttarife

Die Anforderungen sollen für alle Wahltarife gelten. Besonders betroffen sind jedoch die Tarife, die die Kassen anbieten, um junge, gut verdienende Mitglieder nicht an die privaten Krankenversicherer zu verlieren. Dabei handelt es sich vor allem um die Selbstbehalttarife.

Mit ihnen bindet sich der Versicherte für drei Jahre an eine Kasse. Bis zu 600 Euro im Jahr kann er so sparen.

Um die Kosten dieser Tarife zu finanzieren, haben Versicherer die Beiträge der Versicherten, die vom Wechsel in die PKV abgehalten worden sind, als Einnahmen der Selbstbehalttarife verbucht. Gegen diese Halteeffekte geht der Minister nun vor.

Bundesversicherungsamt will Kalkulation ohne Halteeffekte

Rund 520.000 Selbstbehalttarife haben die gesetzlichen Krankenversicherer aktuell im Bestand, fast 480.000 davon entfallen auf die AOKen und die Ersatzkassen.

Zum Vergleich: Rund 9,4 Millionen Versicherte nehmen an den Wahltarifen zur besonderen Versorgung teil, zu denen auch die Einschreibung in einen Hausarztvertrag gehören kann.

Das Bundesversicherungsamt hatte schon 2011 dazu aufgefordert, die Kalkulation der Wahltarife ohne Halteeffekte vorzunehmen.

Würden die neuen Anforderungen Gesetz, "lohnten sich die Wahltarife gar nicht mehr," hieß es dazu aus Richtung der kleineren Kassen Ohnehin gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung die Diskussion, ob die Wahltarife mit dem Solidargedanken vereinbar sind.

AOK: Gesetzgeber konterkariert ursprüngliche Intention

Ein Sprecher des AOK-Bundesverbandes räumte gegenüber der "Ärzte Zeitung" ein, dass die Nichtberücksichtigung von Halteeffekten Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Selbstbehalttarifen habe.

"Daraus resultiere jedoch nicht automatisch, dass ein Nachweis von Einsparungen zur Gegenfinanzierung der Wahltarifausgaben - gegebenenfalls durch eine Modifikation des Tarifs - nicht gelingt," sagte AOK-Pressesprecher Udo Barske der "Ärzte Zeitung".

Allerdings konterkariere der Gesetzgeber damit seine ursprüngliche Intention, Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein der Versicherten zu schärfen sowie den Wettbewerb der Kassen untereinander und mit der PKV zu fördern.

Stellungnahme vom GKV-Spitzenverband in der kommenden Woche

In diese Kerbe hieb auch die Pressesprecherin des vdek, Michaela Gottfried: "Bei einem für alle Versicherten gleichen, einheitlichen Beitragssatz werden Wahltarife zu einem Unterscheidungsmerkmal von Krankenkassen insbesondere gegenüber den privaten Krankenkassen."

Sie seien eine vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollte Möglichkeit, Mitglieder zu binden, sagte Gottfried.

Der GKV-Spitzenverband wird Anfang kommender Woche eine Stellungnahme dazu im Ministerium einreichen.

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