Grüne und Linke

Neuer Anlauf für die Bürgerversicherung

Angesichts der steigenden Zusatzbeiträge wird in Deutschland wieder darüber diskutiert, ob Arbeitgeber die Hälfte der Kassenbeiträge bezahlen sollten. Die neu entfachte Debatte wollen Linke und Grüne jetzt nutzen - sie bringen wieder die Bürgerversicherung ins Spiel.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:
Ein Wiedergänger: 2005 warb die SPD für die Bürgerversicherung - 2016 tut sie dies erneut.

Ein Wiedergänger: 2005 warb die SPD für die Bürgerversicherung - 2016 tut sie dies erneut.

© imago / mm images / Berg

BERLIN. Die Opposition will die Gunst der Stunde nutzen und die Koalition beim Thema der paritätischen Finanzierung in der GKV vor sich hertreiben.

Am Donnerstag stehen entsprechende Anträge von Grünen und Linksfraktion im Bundestag zur Debatte. Angesetzt ist dafür eine einstündige Aussprache.

Beide Anträge lagen der "Ärzte Zeitung" am Dienstag in einer noch nicht von den Fraktionen abgestimmten Fassung vor.

Die Oppositionsfraktionen haben das Ziel, angesichts der steigenden Zusatzbeiträge vieler Krankenkassen (siehe großer Beitragssatz-Vergleich) eine gesundheitspolitische Grundsatzdebatte wiederzubeleben - die über die Bürgerversicherung.

Beitragserhöhungen sind "keineswegs unvermeidlich", verspricht die Links-Fraktion. "Es gibt eine gerechte Alternative: Die Einführung der solidarischen Gesundheitsversicherung (Bürgerversicherung)".

Arbeitgeber sollten wieder die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Rentner sollten ebenfalls nur für den halben Beitragssatz aufkommen, die andere Hälfte solle von der Rentenversicherung getragen werden, heißt es im Antrag der Linken.

Rückkehr zur "echten" Parität

Vorstoß im Bundesrat

Rheinland-Pfalz macht Druck für die Rückkehr zur Beitragsparität in der GKV.

Das Landeskabinett hat am Dienstag eine entsprechende Bundesratsinitiative beschlossen. Ob sich weitere Länderregierungen dem Vorstoß anschließen, ist noch nicht klar.

Kostensteigerungen würden in den kommenden Jahren weiter allein zu Lasten der Versicherten gehen. „Das lehne ich ab“, so die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dryer (SPD).

Der Bundesrat wird sich am 29. Januar in seiner Sitzung mit der Initiative beschäftigen.

Der Linken-Politiker Harald Weinberg rechnet vor, seit der Einführung des Sonderbeitrags durch die rot-grüne Regierung im Jahr 2005 in Höhe von 0,9 Prozentpunkten hätten GKV-Versicherte fast 102 Milliarden Euro an Beiträgen allein aufgebracht.

Daher wollen die Linken zurück zu einer "echten" Parität, sagt Weinberg: Auch Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen sollten abgeschafft werden.

Die Grünen-Fraktion fordert in ihrem Antrag, neben der Rückkehr zur Parität sei eine "breitere, stabilere und verlässlichere finanzielle Basis" für das Gesundheitsweisen nötig.

Sie versprechen -  inhaltlich identisch wie die Linksfraktion - die Beitragsbelastung könne "mit dem grünen Modell der Bürgerversicherung sogar gesenkt und dann stabilisiert werden und eine gute und hochwertige Versorgung für alle garantiert werden".

Auf welchen Annahmen diese Versprechen fußen und in welchem Umfang nicht nur Löhne und Gehälter, sondern auch andere Einkommensarten verbeitragt werden sollen, wird nicht erläutert.

Als "Nebeneffekt" der Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung erhoffen sich die Grünen, dass der Anreiz für Arbeitgeber steigt, auf eine effiziente Versorgung hinzuwirken. Die Linken glauben, mit der hälftigen Finanzierung verringere sich der Preiswettbewerb der Krankenkassen um junge und gesunde Mitglieder.

Wirtschaft wehrt sich

Die Arbeitgeber versuchen, in der aufkeimenden Debatte um die Beitagsparität gegenzusteuern. Die Aufteilung des lohnbezogenen GKV-Beitrags in einen Arbeitgeber- und einen Arbeitnehmeranteil sei eine "Illusion", sagt Dr. Jochen Pimpertz vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft.

Der Unternehmer zahle den Arbeitgeberbeitrag nicht "aus der eigenen Tasche", sondern die Beschäftigung eines Mitarbeiters lohne sich erst, "sobald der mit seiner Arbeitsleistung auch die Lohnnebenkosten erwirtschaftet", warnte Pimpertz.

Unabhängig von der Beitragsparität liege die Kernfrage darin, wie "Ausgabensteigerungen gebremst oder vermieden werden können". Das, so das Institut, könne durch Wettbewerb geschehen, "bei dem Preise die zentrale Rolle einnehmen".

Alte Argumente "ziehen nicht mehr"

Verbal aufgerüstet hat unterdessen die SPD. In einem Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion vom 8. Januar heißt es, der kassenindividuelle Zusatzbeitrag - erst Mitte 2014 mit den Stimmen auch der SPD eingeführt - müsse gestrichen werden.

Angesichts der guten Konjunkturlage "zieht das Argument der Senkung der Lohnnebenkosten zur Entlastung der Arbeitgeber nicht mehr". Deshalb müsse man zur paritätischen GKV-Finanzierung zurückkehren, heißt es im Beschluss.

Allerdings findet sich davon nichts im Koalitionsvertrag mit der Union. So kann es sich die CDU leisten, das Thema zu ignorieren: In der Erklärung des CDU-Vorstands anlässlich ihrer Klausurtagung in der ersten Januarwoche in Mainz taucht das Wort Krankenversicherung nicht auf.

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