Krankenkassen

Überschuss der AOK befeuert Streit um Kassenausgleich

Die Finanzsituation der Kassen hat sich im ersten Quartal 2017 weiter verbessert. Doch die Überschüsse sind ungleich verteilt. Das gibt dem Streit um die Reform des Morbi-RSA neue Nahrung.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Kein Grund zum Jammern: Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen hat sich weiter verbessert.

Kein Grund zum Jammern: Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen hat sich weiter verbessert.

© fotolia.com

BERLIN. Die GKV ist finanziell stabil in das erste Quartal gestartet. Die 113 Kassen haben bis Ende März einen Überschuss von rund 600 Millionen Euro verbucht. Hauptgewinner ist dabei erneut das AOK-System, das im ersten Quartal einen Überschuss von 361 Millionen Euro eingefahren hat. Das sind 290 Millionen Euro mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Das erste Quartal schließt die GKV insgesamt mit einem Plus von rund 600 Millionen Euro ab, 406 Millionen sind es im Vorjahreszeitraum gewesen. Damit verbuchen die Ortskrankenkassen deutlich mehr als die Hälfte des Überschusses aller Kassen. Versichert sind im AOK-System indes nur rund ein Drittel aller GKV-Versicherten. Die Rücklagen der GKV, die sich Ende des Vorjahres auf 15,9 Milliarden Euro addiert haben, dürften auf 16,5 Milliarden Euro steigen.

Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbands, sieht "gute Verträge und eine effiziente Versorgungssteuerung" als Gründe für das Abschneiden der AOK-Familie. So seien die Leistungsausgaben im ersten Quartal um nur 0,5 Prozent gestiegen. Das liege "voraussichtlich weit unter dem Branchenschnitt", hieß es.

Anders verlief die Entwicklung bei den Ersatzkassen, die einen Anteil von 37 Prozent aller GKV-Versicherten haben. Bei den sechs Kassen stand am Ende des Quartals ein Überschuss von 155 Millionen Euro in den Büchern – im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 206 Millionen Euro gewesen. Der Anstieg der Leistungsausgaben rangiert bei 4,3 Prozent je Versichertem. Hingegen nahmen die Einnahmen um 3,9 Prozent zu.

Die Zunahme der ausgleichsfähigen Ausgaben betrug im ersten Quartal 4,1 Prozent. Die Zuweisungen aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) stiegen hingegen um 3,9 Prozent. Für den Ersatzkassenverband vdek ist das ein erneuter Beleg für die Fehlsteuerung durch den Morbi-RSA. Auch beim Branchenprimus Techniker Kasse sind die Leistungsausgaben um 3,9 Prozent gestiegen. 75 Millionen Euro weist die TK als Überschuss nach einem Quartal aus – rund die Hälfte des gesamten Plus‘ der vdek-Kassen entfällt demnach auf die TK.

Gesunken ist der Überschuss auch bei den Betriebskrankenkassen. Die BKK-Familie mit einem Versichertenanteil von 16,5 Prozent verbucht ein Plus von 27 Millionen Euro – ein Jahr zuvor waren es noch 38 Millionen.

Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich bei den Innungskrankenkassen (rund 7,4 Prozent der GKV-Versicherten). Nach drei Monaten steht dort ein Überschuss von 16,6 Millionen Euro in den Büchern. Ein Jahr zuvor war der Überschuss mit 33 Millionen Euro noch doppelt so hoch ausgefallen. "Erneut zeigt sich eine Schieflage in der Finanzentwicklung, die sich nicht allein aus Faktoren wie einer effizienten Versorgungssteuerung erklären lässt", kommentierte Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V.. Die Schere zwischen der AOK und den anderen Kassenarten gehe weiter auseinander. "Es ist höchste Zeit, dass der Morbi-RSA reformiert wird."

Aktuell erarbeitet eine Gruppe von Wissenschaftlern im Auftrag des Bundesversicherungsamts ein Sondergutachten, in dem die Verteilungseffekte des Risikostrukturausgleichs untersucht werden. Zudem sollen die insgesamt neun Wissenschaftler die Folgen verschiedener Reformvorschläge des RSA empirisch abschätzen.

Im Januar hat der Wissenschaftliche Beirat verschiedene Kassen und Kassenverbände im Hinblick auf den Untersuchungsumfang des Evaluationsberichts angehört. Schon dabei wurden die stark unterschiedlichen Erwartungen an die Expertise deutlich. Unmittelbar vor der Bundestagswahl im September soll das Gutachten vorliegen. Der neue Bundestag muss dann entscheiden, ob und wenn ja, an welchen Stellschrauben des Morbi-RSA gedreht werden soll.

Angesichts des neuen Rekordwerts bei den Rücklagen der Kassen plädierte das Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung (ZI) dafür, die Überschüsse zu nutzen, um die ambulante Versorgung in der Zukunft zu stärken. Mitte der nächsten Legislaturperiode beginne die Ruhestandswelle der Baby-Boomer-Generation, erinnerte ZI-Geschäftsführer Dr. Dominik Graf von Stillfried. Dadurch werde sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Patienten nachhaltig ändern. Eine bessere ambulante Versorgungsstruktur könne dazu beitragen, vermeidbare Krankenhausaufnahmen zu verhindern.

Schlagworte:
Mehr zum Thema

#NRWEntscheidetSich

Medienkampagne zur Organspende in NRW

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System