Krankenkassen

Rätselhafte Vielfalt bei den Leistungen

Ob eine Leistung bewilligt wird oder nicht, hängt laut einer aktuellen Studie ganz erheblich von der Kasse ab. Patientenbeauftragter Laumann kann die Unterschiede nicht nachvollziehen und fordert mehr Transparenz von den Kassen.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:

Bei Vorsorge und Rehabilitation lehnen die Krankenkassen im Durchschnitt fast jeden fünften Antrag (18,4 Prozent) ab. Zudem variiert der Anteil der Absagen in diesem Leistungsbereich je nach Krankenkasse deutlich. Die landwirtschaftliche Krankenkasse hat mit 8,4 Prozent die niedrigste Ablehnungsquote, die AOKs und Ersatzkassen dagegen haben mit 18,4 Prozent eine mehr als doppelt so hohe. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Berliner IGES-Instituts. Patientenbeauftragter Karl-Josef Laumann hatte sie in Auftrag gegeben. Sein Fazit: "Die Unterschiede sind größtenteils nicht nachvollziehbar und gehören unverzüglich abgestellt."

Ablehnung auch bei der Prävention

Über alle Leistungsbereiche hinweg lehnen die Kassen im Durchschnitt 5,2 Prozent der beantragten Leistungen ab. Einzelne Leistungsbereiche aber fallen durch besonders viele Absagen auf. Beispielsweise zeigen sich die Kassen auch bei den stationären Präventionsleistungen wie etwa Vorsorgekuren oder Mutter-Vater-Kind-Angeboten zugeknöpft. Etwa jedem dritten Antrag auf eine entsprechende präventive Maßnahme wurde 2015 eine Absage erteilt.

Laumann kritisierte bei der Vorstellung der Studie besonders, dass Kassen offenbar erst dann Leistungen genehmigten, wenn ein Widerspruch folge. Im Bereich Vorsorge und Rehabilitation beispielsweise widerspreche etwa jeder vierte Versicherte dem Bescheid und jeder zweite habe damit Erfolg. Bei den Mutter-Vater-Kind-Vorsorgemaßnahmen liege die Genehmigungsquote nach einem Widerspruch sogar bei 72 Prozent. "Da kann mit der Bewilligungspraxis etwas nicht stimmen", sagte er. Schließlich müssen Versicherte darauf vertrauen können, dass sich die Krankenkassen an Recht und Gesetz halten. Leistungen, die ihnen zustehen, müssten sie auch bekommen. Es dürfe keinesfalls der Verdacht aufkommen, dass Kassen bestimmte Leistungen zunächst systematisch ablehnten und darauf warteten, ob sich die Betroffenen wehrten. "Ein solches Verhalten untergräbt das Vertrauen der Versicherten massiv", erklärte Laumann.

Große Spanne bei den Hilfsmitteln

Eine große Varianz zeigt sich auch bei den Hilfsmitteln. Die durchschnittliche Ablehnungsquote liegt laut IGES-Studie bei 12,5 Prozent. Je nach Krankenkasse schwankt sie zwischen 2,3 Prozent und 24,5 Prozent. Mit einer Spannbreite von 3,8 bis 54,7 Prozent klafft die Ablehnungsquote insbesondere bei Hilfsmitteln für chronische Wunden auseinander. "Wer weiß, was chronische Wunden sind, kann dies nicht als Kavaliersdelikt bezeichnen", betonte Laumann.

"Bedenklich" sei auch, dass die Krankenkassen nicht immer ausführlich und nachvollziehbar über die Gründe der Leistungsablehnungen informierten und die Anträge nicht immer schriftlich ablehnten. So hatte in der Studie ein Drittel der Versicherten angegeben, nur telefonisch über das Fallmanagement zum Krankengeld informiert worden zu sein – obwohl eine schriftliche Information erforderlich ist. "Die Krankenkassen müssen in Zukunft verpflichtet werden, die Daten zu den Leistungsbewilligungen und -ablehnungen zu veröffentlichen", forderte Laumann. Ein Wettbewerb unter den Krankenkassen sollte nicht allein über die Höhe des Zusatzbeitrags, sondern vor allem über die Qualität der Leistungen geführt werden.

Die Beratung der Kassen zum Thema Krankengeld hatte jüngst auch die Unabhängige Patientenberatung (UPD) als "reformbedürftig" eingestuft. Der fortlaufende Bezug von Krankengeld war mit rund 10.000 von 94.000 UPD-Beratungen 2016 erneut das zentrale Konfliktthema zwischen den Versicherten und ihrer Kasse.

Tobias Schmidt, Pressesprecher des Bundesversicherungsamtes (BVA), bestätigte auf Anfrage der Ärzte Zeitung, dass die Zahl der Beschwerden gegenüber der Krankenversicherung 2016 "auf einem hohen Niveau" bleiben werde. Nach der aktuellsten BVA-Statistik von 2015 waren 3.343 Eingaben von Versicherten eingegangen, die mit einer Entscheidung ihrer Krankenversicherung nicht einverstanden waren. 2014 lag die Zahl der Beschwerden noch bei 2751. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten zählten neben dem Krankengeld auch der Umgang mit rückständigen Beiträgen, die Ausstellung von Kündigungsbestätigungen sowie der Bedarf an Hilfsmitteln.

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