Kliniken in den Miesen

Kassen für klare Qualitätsstrategie

Die Krankenhauslandschaft in Baden-Württemberg steht unter hohem Reformdruck. Die AOK und die Barmer fordern eine konsequente Qualitätsstrategie bei der Klinikplanung.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Das Defizit in den Klinikkassen erhöht den Reformdruck in der Krankenhauspolitik – nicht nur im "Ländle".

Das Defizit in den Klinikkassen erhöht den Reformdruck in der Krankenhauspolitik – nicht nur im "Ländle".

© Marco2811 / stock.adobe.com

STUTTGART. In Baden-Württemberg wächst der Reformdruck in der Krankenhauspolitik. Die AOK und die Barmer haben sich mit Reformvorstellungen positioniert.

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Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) verwies bei einer Tagung der Initiative Tageszeitung (ITZ) in Stuttgart auf den seit Jahren anhaltenden Abbau sowohl bei der Zahl der Plankrankenhäuser wie bei der Bettenzahl. "Wir sind uns beim Pfad einig", so Lucha. So sei die Bettenzahl seit dem Jahr 2000 von rund 64.000 auf zuletzt 54.000 gesunken. Auch weise Baden-Württemberg die höchste Förderquote pro Bett im Bundesvergleich auf. Allerdings sind im Südwesten nach Angaben der Unternehmensberatung Roland Berger die Krankenhausausgaben pro Bett 2016 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf 188.000 Euro gestiegen – 12.000 Euro mehr als im Bundesschnitt.

Baden-Württembergs Krankenhauslandschaft ist sehr kleinteilig, 52 Prozent der Häuser haben weniger als 100 Betten; bundesweit sind es 34 Prozent. Zugleich stecken 45 Prozent der Kliniken aktuell in den roten Zahlen und fahren jährlich ein Defizit von 150 Millionen Euro ein. Bundesweit machen 29 Prozent der Häuser Miese.

"Hypothek für die Qualität"

Aus Sicht von AOK-Landeschef Dr. Christopher Hermann ist diese Zersplitterung eine "Hypothek für die künftige Qualität und Finanzierbarkeit der stationären Versorgung". Kliniken suchten händeringend Personal und würben es sich gegenseitig ab, sagte Hermann bei der ITZ-Veranstaltung. Für die Summe der Behandlungsfälle sei ausreichend Personal da, wegen der kleinteiligen Kliniklandschaft reiche es aber nicht aus.

Aktuell sind mehr als 112.000 Vollzeitkräfte in Kliniken in Baden-Württemberg beschäftigt. 2016 wurden nach Angaben von Roland Berger nochmals 400 Ärzte (Vollzeit) zusätzlich eingestellt, aktuell sind es landesweit 19.400. Auch bei den Pflegekräften fand ein Zuwachs statt, und zwar um 400 auf 37.800.

Für die Barmer warnt Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer in Baden-Württemberg davor, in eine Diskussion pro und contra kleine Kliniken abzudriften. Entscheidend sei die Frage, wo eine Leistung am besten erbracht werden könne: "Und das ist in zertifizierten Zentren und spezialisierten Kliniken, in denen ein Eingriff besonders häufig gemacht wird."

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An den Bürgern scheitere der Kurs einer stärkeren Spezialisierung nicht, betonte AOK-Chef Hermann. Er erinnerte an eine von seinem Haus in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage: Zwei Drittel der Befragten gaben an, sie seien bereit, für planbare Eingriffe mehr als 50 Kilometer zu fahren. Wichtig sei es, den Bürgern das Signal zu geben, dass ihnen durch die Bildung von Zentren "nichts wegnehmen, sondern etwas Neues schaffen", sagt Plötze.

Lackmustest für den Umgang mit Qualität in der Krankenhausplanung ist für die Kassenseite der Umgang mit den sogenannten planungsrelevanten Qualitätsindikatoren, die der Bundesgesetzgeber im Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) vorgesehen. Die Länder können deren automatische Geltung per Landesgesetz ausschließen. Genau das plant Sozialminister Lucha mit einer aktuellen Kabinettsvorlage.

Qualitätsstrategie schafft Konflikte

AOK-Chef Hermann attackierte die Landesregierung für ihren Kurs – schließlich basierten die Qualitätsinstrumente im KHSG auf den Ergebnissen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, an der auch Baden-Württemberg mitgewirkt habe. Qualität sollte in der Landeskrankenhausplanung fest verankert werden, so die Position der AOK. Auch für die Barmer rügte Plötze, dass es die große Koalition versäumt habe, den Begriff Qualität stringent in der Krankenhausplanung zu verankern. "Mir graut es schon jetzt davor, dass sich Selbstverwaltung und Kliniken gegenseitig mit Schiedsverfahren überhäufen."

Einig sind sich Kassen und Sozialminister darin, dass die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung keine Zukunft hat. In Kürze wird das Land die Ergebnisse eines Modellprojekts zur sektorübergreifenden Bedarfsplanung vorstellen. Schon Zwischenergebnisse haben die Komplexität einer integrativen Planung deutlich werden lassen.

Ganz ähnlich verhalten sich die Probleme im benachbarten Bayern. "Die gelebte Praxis in Bayern, den Krankenhausplan von Jahr zu Jahr fortzuschreiben, verhindert eine Anpassung an die Bedarfe einer hochwertigen stationären Versorgung im 21. Jahrhundert", kommentiert die Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern, Dr. Claudia Wöhler. Eine Krankenhausplanung auf der Basis von Leitlinien, Mindestmengen, Struktur- und Qualitätsvorgaben wäre aus Wöhlers Sicht eine wichtige Basis, um zu Strukturveränderungen zu kommen.

Qualitätsindikatoren

  • Die große Koalition hat im Krankenhausstrukturgesetz vorgesehen, dass Empfehlungen des GBA zu den planungsrelevanten Qualitätsindikatoren automatisch Bestandteil der Krankenhauspläne der Länder werden sollen.
  • Der GBA hat im Dezember 2016 einen Beschluss zu Indikatoren gefasst, die gynäkologische Operationen, Geburtshilfe und Mammachirurgie betreffen.
  • Das Land Baden-Württemberg macht von einer Ausnahmeklausel im KHSG Gebrauch. Die Indikatoren könnten nur dann für die qualitätsorientierte Krankenhausplanung angewendet werden, wenn rechtssichere Beurteilungskriterien vorlägen. "Das ist derzeit nicht der Fall", heißt es in dem Entwurf zur Änderung des Landeskrankenhausgesetzes.
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