LSG-Urteil

Kasse muss für "Fußheber-System" zahlen

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg sieht deutliche Gebrauchsvorteile für zwei MS-Kranke und bewertet das Gerät zum Fußheben als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

STUTTGART. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen Versicherten mit einer nervlichen Gehstörung ein elektronisch gesteuertes "Fußheber-System" bezahlen. Es kommt hier allein auf die Vorteile für die Versicherten an, wie jetzt das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart entschied. Eine positive Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses sei nicht erforderlich.

Damit gab das LSG zwei Frauen Recht, die jeweils vor etwa 15 Jahren an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind. Ihre Ärzte hatten ihnen das elektronische Fußheber-System "Ness L300" verordnet. Das Gerät des US-Herstellers Bioness wird mit einer Manschette oben an der Wade angebracht.

Eine Software analysiert die Bewegungsabläufe und auch die Beschaffenheit des Bodens. Daraus berechnet es elektrische Impulse, die drahtlos an den Fußheber-Muskel gesendet werden.

Kasse verweist auf GBA

Die Kosten lagen 2015 bei 5500 Euro plus Zusatzkosten, etwa für eine Einweisung. Nach Herstellerangaben eignet sich das Gerät auch bei anderen nervlichen Bewegungsstörungen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder bei Verletzungen des Rückenmarks.

Für die beiden MS-kranken Frauen lehnten die Krankenkassen es ab, die Geräte zu bezahlen. Sie verwiesen auf herkömmliche Hilfsmittel wie Bandagen und Orthesen. Für das elektronische Fußheber-System "Ness L300" gebe es noch keine positive Empfehlung des GBA.

Doch hier diene das Gerät "nicht der eigentlichen Krankenbehandlung, sondern hat als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich das Ziel, die Gehfähigkeit und Mobilität zu verbessern", betonte nun das LSG Stuttgart. Hierfür sei eine positive GBA-Entscheidung nicht erforderlich.

Auch müssten sich hier Versicherte nicht auf kostengünstigere aber weniger wirksame Hilfsmittel verweisen lassen. Vielmehr bestehe ein "Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts".

Senate stützen sich auf Videobeleg

Beim LSG Stuttgart zeigten sich zwei verschiedene Senate überzeugt, "dass das neue Fußheber-System entscheidende Verbesserungen für die Gehfähigkeit und Mobilität der Versicherten mit sich bringt und daher die Versorgung erforderlich und gerechtfertigt ist".

Beide Senate stützten sich dabei auf Videodokumentationen, die im ersten Fall schon die Krankenkasse und im zweiten das LSG in Auftrag gegeben hatte.

Urteil des LSG Baden-Württemberg:

Az.: L 4 KR 531/17 und L 11 KR 1996/17

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