Umverteilung

Ersatzkassen wollen Morbi-RSA bis 2020 reformieren

Unfaire Finanzierung? Der Verband der Ersatzkassen sieht erhebliche Verwerfungen im geltenden Morbi-RSA zu Lasten seiner Kassen und fordert Reformen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Bekommen die AOKen ungleich mehr Geld aus dem Morbi-RSA? Aus Sicht der Ersatzkassen schon.

Bekommen die AOKen ungleich mehr Geld aus dem Morbi-RSA? Aus Sicht der Ersatzkassen schon.

© Robert Schlesinger / dpa

BERLIN. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) stimmt Teilen der zwei Gutachten zu, die in jüngster Zeit zum Reformbedarf beim morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich vorgelegt worden sind. Nach Auffassung des Verbandes, so dessen Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner am Mittwoch vor Journalisten in Berlin, soll die geplante Reform des Morbi-RSA bis 2020 fertiggestellt sein, wenn Regelungen des Versichertenentlastungsgesetzes die Kassen dazu zwingen, beschleunigt ihre Überschüsse durch Minderung des Zusatzbeitrags abzubauen.

Der vdek sieht ebenso wie Betriebs- und Innungskrankenkassen im geltenden Morbi-RSA systematische Benachteiligungen im Wettbewerb. Nach offiziellen Daten (KJ1) erzielen die Ortskrankenkassen bei den im RSA berücksichtigungsfähigen Leistungsausgaben eine Überdeckung der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds in Höhe von mehr als 1,5 Milliarden Euro.

Bei den Ersatzkassen entsteht eine Unterdeckung von knapp einer Milliarde Euro, bei Betriebs- und Innungskrankenkassen sind es 222 und 271 Millionen Euro, die zur Ausgabendeckung fehlen.

AOK als Nutznießer

Je Mitglied ist dies bei der AOK im Schnitt eine Überdeckung von 59 Euro, bei den anderen Kassen eine Unterdeckung zwischen 21 und 50 Euro.

In sechs Punkten fordert der vdek Reformen:

  • Beim Merkmal Erwerbsminderungsrentner soll eine Alters-Schwergrad-Differenzierung eingeführt werden. Das entspricht auch den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt.
  • Altersinteraktionsterme sollen eingeführt werden: Damit sollen Krankheitskosten, die aus der Kombination von Morbidität und Alter entstehen, zutreffender abgebildet werden. Grund ist, dass derzeit die Zuweisungen für kranke junge Versicherte eine Unterdeckung, die Zuweisungen für ältere Kranke jedoch eine Überdeckung aufweisen. Unterschieden werden soll zwischen der Altersgruppen: unter 18-Jährige, 18- bis 65-Jährige und Ältere. Konkretes Beispiel MS: Hier würden die Zuweisungen für jüngere Versicherte dann bei etwa 20.500 Euro, für die mittlere Altersgruppe bei etwa 14.000 Euro und für Ältere bei rund 7000 Euro liegen.
  • Dezidiert sprechen sich die Ersatzkassen für die Streichung der DMP-Programmkostenpauschale von 145 Euro je DMP-Teilnehmer. Der Beirat hatte dies lediglich problematisiert. Von der Pauschale profitieren insbesondere Ortskrankenkassen, weil sie überdurchschnittlich viele DMP-Teilnehmer haben.
  • Nach Auffassung der Ersatzkassen soll ein Hochrisikopool für besonders teure Krankheiten eingeführt werden. Die Schwelle soll bei 100.000 Euro Fallkosten liegen, davon sollten 80 Prozent ausgeglichen werden, um Anreize für ein wirtschaftliches Verhalten bestehen zu lassen. Die Ersatzkassen gehen damit über die Empfehlungen der Gutachter hinaus. Sie hatten das Problem zwar anerkannt, sahen aber zunächst weiteren Forschungsbedarf.
  • Ablehnung des Krankheits-Vollmodells: Der Wissenschaftliche Beirat hatte vorgeschlagen, ein einfaches Krankheits-Vollmodell mit 360 Krankheiten einzuführen. Das lehnen die Ersatzkassen ab. Sie sehen das Risiko, dass es bei multimorbiden Kranken aufgrund einer Kumulation von standardisierten Behandlungskosten zu einer Überdeckung der tatsächlichen Kosten kommen kann. Das mache den RSA manipulationsanfällig.
  • Regionalkomponente: Die Ersatzkassen schließen sich dem Vorschlag des Beirats an und befürworten die Umsetzung einer Regionalkomponente in zwei Stufen. Damit sollen strukturelle regionale Unterschiede im Leistungsangebot und ihre Wirkungen auf Über- und Unterdeckung bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds kompensiert werden. Derzeit reicht die Überdeckung bis zu 342 Euro (Hohenlohekreis), die Unterdeckung bis zu 260 Euro (Vorpommern-Greifswald).
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