Thüringen

Kontroverse um GBA-Standards für Krankenhäuser

Thüringer Sozialministerium will keinen Automatismus bei der Umsetzung der Vorgaben in Landesrecht, sondern den Einzelfall bewerten.

Von Katrin Zeiß Veröffentlicht:
Qualität im OP: In Thüringen sollen GBA-Vorgaben nicht grundsätzlich übernommen werden.

Qualität im OP: In Thüringen sollen GBA-Vorgaben nicht grundsätzlich übernommen werden.

© Kzenon / Fotolia

ERFURT. Die Übernahme von Qualitätsstandards für Akutkliniken, die der Gemeinsame Bundesausschuss für die Krankenhausplanung empfiehlt, wird in Thüringen kontrovers diskutiert. Geht es nach dem Linken-geführten Sozialministerium, sollen die GBA-Empfehlungen zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren nicht – wie im Krankenhausstrukturgesetz beschlossen – automatisch vom Land übernommen werden. Stattdessen soll das Ministerium im Einzelfall entscheiden. Das Ministerium hat dem Landtag eine entsprechende Änderung des Thüringer Krankenhausgesetzes vorgelegt. Krankenkassen fürchten Qualitätsverwässerungen.

Es sei nicht absehbar, welche Auswirkungen die automatische Übernahme auf die Angebote der Krankenhäuser in Thüringen hätte, heißt es in dem Entwurf der Gesetzesnovelle. Sozialministerin Heike Werner (Linke) fürchtet vor allem um den Bestand von Fachabteilungen. "Wenn eine Abteilung wegen eines einzigen nicht erfüllten Kriteriums schließen müsste, wäre das nicht angemessen", sagte sie der "Ärzte-Zeitung".

Qualität oder Versorgung sichern?

In der dem Landtag in erster Lesung vorgelegten Beschlussbegründung liest sich das so: "Es sind die Gesundheit der Bevölkerung durch Sicherung einer hohen Qualität gegen einen etwaigen Wegfall stationärer Versorgung abzuwägen." Werner bestreitet, dass damit das eine gegen das andere ausgespielt werden solle. "Ich bin ausdrücklich für Qualitätskriterien", sagt sie. "Wir wollen als Land aber Herr des Verfahrens bleiben."

Auch andere Bundesländer, zum Beispiel Bayern, handhabten das so und hätten einen Automatismus bei der Übernahme von planungsrelevanten Indikatoren ausgeschlossen. Sinnvolle GBA-Kriterien wolle das Land aber einbeziehen.

Bei der Landeskrankenhausgesellschaft gibt man sich ganz entspannt. "Das Land ist doch frei, die Flut der Qualitätsvorgaben einzudämmen", sagt ihr Sprecher Norbert Uhlenkamp. "Das hat nichts mit Herunterfahren von Qualität zu tun." Letztlich habe die Landesregierung eine Fürsorgepflicht und müsse die stationäre Versorgung gewährleisten. In Thüringen gibt es rund 40 Akutkliniken, die jährlich knapp 600.000 Patienten behandeln.

Das Ministerium solle sich von Wirtschaftlichkeitsargumenten der Klinikbetreiber "nicht ins Bockshorn jagen lassen", mahnt der Gesundheitsexperte der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Hartung, selbst Chirurg. Er hält die bisher bekanntgewordenen Standards in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe allerdings für nicht sonderlich streng.

"Das ist eher der kleinste gemeinsame Nenner", findet er. "Wir sind uns als Koalitionäre in den Fraktionen einig, dass wir nicht weichere Kriterien des Bundes übernehmen und unsere eigenen Standards verwässern wollen." Bei strengeren Bundeskriterien solle das Land von Fall zu Fall prüfen. "Wir sind da noch nicht zu der Formulierung gekommen, die allen gerecht wird."

Das Thüringer Krankenhausgesetz war zuletzt 2014 novelliert worden. Seitdem ist das Land berechtigt, den Kliniken eigene Qualitätsvorgaben zu machen. Das mündete in die seit 2017 vorgeschriebene Arztquote, die Thüringen als erstes Bundesland einführte. Fachabteilungen müssen mindestens 5,5 Arztstellen aufweisen, davon drei aus dem jeweiligen Fachgebiet. Mehrere Häuser haben Probleme, die Quote zu erfüllen. Sie können Ausnahmeanträge stellen, über die das Ministerium entscheiden muss.

Langes Warten aufs Ministerium

Die Landesärztekammer, verantwortlich für die fachliche Beurteilung der Anträge, kritisierte kürzlich die lange Bearbeitungsdauer im Ministerium. Manche Häuser würden vom Ministerium teilweise mehr als ein Jahr über die Zukunft von Fachabteilungen mit zu wenigen Ärzten im Unklaren gelassen, monierte Kammerpräsidentin Ellen Lundershausen.

"Sie kriegen die Facharzt-Quote nicht gebacken und jetzt wollen sie GBA-Kriterien aufweichen", kritisiert der Landeschef der Techniker Krankenkasse, Guido Dressel. "Das zeigt das Grundproblem der Landesregierung: Sie will politisch an die Krankenhausstrukturen nicht ran – schon gar nicht in einem Wahljahr." Im Herbst 2019 wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt, für Rot-Rot-Grün dürfte es nach bisherigen Prognosen dann nicht mehr reichen.

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