Assistierter Suizid: Die Last der Verantwortung liegt nun einzig beim Arzt

Moralisch vertretbar oder nicht? Der Arzt steht künftig mehr denn je vor einem Konflikt bei der Frage nach assistiertem Suizid: Die BÄK liefere dazu keine Antwort, kritisieren Verbände.

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Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung: "Es gibt keinen objektiven Maßstab für das Leid eines Menschen"

Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung: "Es gibt keinen objektiven Maßstab für das Leid eines Menschen"

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BERLIN (sun/dpa). "Gewissensfall Sterbehilfe", "Wenn der Arzt beim Sterben hilft", "Ärztliches Gewissen" - das Medienecho auf die von der Bundesärztekammer (BÄK) modifizierten Grundsätze zum assistierten Suizid ist groß. Die Stimmen von Verbänden, Politik und Medien dazu sind kontrovers.

Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte die neuen Grundsätze harsch: "Beihilfe zur Selbsttötung ist keine ethische Fortführung der Sterbebegleitung", sagte der Chef der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Der Deutsche Ärztetag müsse im Mai klären, was "ethisches Handeln des Arztes heute" sei. Denn die Verunsicherung der Patienten sei groß.

Mit den modifizierten Grundsätzen sei "das ärztliche Ethos vom Vorstand der deutschen Ärzteschaft abgeschafft worden". Künftig habe das "Ethos bei der Ablehnung der ärztlichen Begleitung zur Selbsttötung keine Bedeutung mehr". Diese Ablehnung werde jetzt allein damit begründet, dass sie "keine ärztliche Aufgabe" sei, so Brysch.

Das hat seiner Ansicht nach vor allem Konsequenzen für den einzelnen Arzt: "Der bleibt sich selbst überlassen, wenn es um die Gewissensentscheidung geht, eine Selbsttötung zu unterstützen oder abzulehnen", warnte der Chef der Hospiz Stiftung. Ethisches Handeln brauche jedoch "allgemeingültige Regeln, um nicht gewissenlos zu werden".

In der Praxis befinde sich der Arzt im Dilemma: "Wie groß muss das Leiden eines Menschen sein, um seinem Wunsch nach Selbsttötung zu folgen", fragte Brysch und lieferte die Antwort gleich mit: "Es gibt keinen objektiven Maßstab für das Leid eines Menschen!" Immer mehr Patienten erlebten bereits heute "ärztliches Handeln als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb".

Nach Ansicht des FDP-Bundestagsabgeordneten Michael Kauch hingegen bewegen sich die Ärzte "mit der Lockerung der Empfehlungen in die richtige Richtung". Die Entscheidung über ärztlich assistierte Selbsttötung gehöre aber ins Parlament.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kommentierte: Die "Bundesärztekammer kehrt der ärztlichen Ethik den Rücken". Eine Kammer ohne Vorschriften, die "über das allgemeine Recht hinausgehen", brauche niemand.

Laut einer Allensbach-Studie aus dem vergangenen Jahr sprachen sich 30 Prozent der Ärzte dafür aus, Hilfe bei der Selbsttötung bei unheilbar Kranken zu erlauben, 62 lehnten dies ab. In den modifizierten Grundsätzen der Bundesärztekammer heißt es künftig: "Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe". Bisher war diese Vorgabe anders formuliert: "Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein."

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