Ärztetag stimmt mit großer Mehrheit für PID

Hatte der Ärztetag 2002 die Präimplantationsdiagnostik (PID) noch mit knapper Mehrheit abgelehnt, so ist nun der Meinungswandel der verfassten Ärzteschaft eindeutig.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Blick ins Erbgut: Die Ärztetagsdelegierten geben bei der PID ihr Plazet.

Blick ins Erbgut: Die Ärztetagsdelegierten geben bei der PID ihr Plazet.

© dpa

KIEL. Mit 204 gegen 33 Stimmen bei sechs Enthaltungen hat der 114. Deutsche Ärztetag am Mittwoch einem Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik zugestimmt, wonach diese Technik der frühzeitigen Diagnose seltener genetisch bedingter schwerer Krankheiten und Behinderungen unter engen Voraussetzungen erlaubt sein soll.

Die Positionierung der Ärzteschaft zu dieser ethisch und politisch umstrittenen Diagnosemöglichkeit ist bedeutsam, weil der Bundestag am 30. Juni eine Entscheidung über einen neuen gesetzlichen Rahmen für die PID schaffen muss, die bislang in Deutschland gesetzlich zwar verboten ist, vom Bundesgerichtshof jedoch mit Urteil vom 6. Juni 2010 für rechtlich zulässig erklärt worden war.

Vor dem Hintergrund der internationalen Erfahrungen mit der PID und in Abwägung zu den medizinischen und ethischen Implikationen der Pränataldiagnostik (PND) und ihren möglichen Folgen ist die verfasste Ärzteschaft nun mit großer Mehrheit zu einem anderen Werturteil gekommen, als dies noch vor neun Jahren der Fall war.

Diese neue Bewertung kommt in dem Memorandum deutlich zum Ausdruck und weist auch den Weg, wie die Ärzteschaft mit einer gesetzlichen Erlaubnis der PID mit dieser Methode umgehen wird.

Wesentliche Eckpunkte des Memorandums sind:

  • Die ethische Abwägung spricht für eine Zulassung der PID in engen Grenzen und unter kontrollierten Voraussetzungen. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit für die Frau... "ist die in-vitro-Befruchtung mit PID in bestimmten Fällen ethisch weniger problematisch als eine PND mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch".
  • Die PID solle nur für Erkrankungen vorgenommen werden, für die bei einem Paar ein hohes genetisches Risiko bekannt sei. Geschlechtsbestimmung, Alter der Eltern oder reproduktionsmedizinische Maßnahmen seien keine Indikation für die PID.
  • Zur Patienten-Autonomie ist eine umfassende Information und Beratung erforderlich.
  • Lässt der Gesetzgeber die PID zu, dann müsste die Bundesärztekammer eine Richtlinie zur Durchführung erarbeiten, die das Indikationsspektrum, die personellen und apparativen Anforderungen und die Beratung festlegen.

Für die vom BÄK-Vorstand eingesetzte Arbeitsgruppe stellte Professor Hermann Hepp fest, dass vor dem Hintergrund internationaler Erfahrungen "nicht mit dem immer wieder beschworenen Dammbruch zu rechnen" sei. Nach vorliegenden Daten sei in 0,3 bis 0,4 Prozent der IvF-Zyklen eine PID vorgenommen worden. Auf Deutschland umgerechnet müsse man von 200 Paaren pro Jahr ausgehen.

Den ernstzunehmenden Einwand, PID diskriminiere Behinderte - BÄK-Vorstandsmitglied Rudolf Henke sieht darin sogar einen Verstoß gegen die Behinderten-Konvention der Vereinten Nationen - mag Hepp nicht erkennen.D

Denn das Bemühen der Eltern, eine schwere genetische Erkrankung präventiv abzuwenden, so Hepp, richte sich nicht gegen die Würde von Menschen, die mit Behinderungen geboren worden sind. Außerdem müsse sich der Diskriminierungsvorwurf dann noch weitaus stärker gegen die PND richten.

Allerdings mit einem Unterschied, so Henke: Juristisch erlaubt ist ein Spätabbruch nach PND nur aufgrund einer medizinischen Indikation - Gefahr für die Mutter -, nicht jedoch die embryopathische Indikation. Genau diese Indikation greift jedoch bei PID, wenn als deren Folge Embryonen im Frühstadium verworfen werden.

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