Ethikrat empfiehlt

Gentests nur noch aus den Händen von Ärzten

Genetische Diagnostik ist Ärzte-Sache, meint der Deutsche Ethikrat. Um die Bedeutung erblicher Faktoren bei Prävention, Diagnostik und Therapie von Erkrankungen zu kennen, ist es nötig, dass Ärzte die Schulbank drücken.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Gentest: Aufklärung tut Not.

Gentest: Aufklärung tut Not.

© lily / fotolia.com

BERLIN. Ärzte tragen nach Auffassung des Deutschen Ethikrates eine Schlüsselrolle bei der Aufklärung der Bevölkerung über die Möglichkeiten und Risiken der Gendiagnostik.

"Wir möchten sicherstellen, dass es immer zu einem Gespräch zwischen Arzt und Patient kommt, wenn es um die Vermittlung von Ergebnissen genetischer Diagnostik geht", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums Wolf-Michael Catenhusen bei der Übergabe der Stellungnahme "Die Zukunft der genetischen Diagnostik - von der Forschung in die klinische Anwendung" am Dienstag in Berlin.

Das 2010 aufgelegte Gendiagnostikgesetz solle dahingehend ergänzt werden, dass die Pflicht zur persönlichen Beratung durch Ärzte auch für Gentests zu nichtmedizinischen Zwecken gelten solle.

Dies können zum Beispiel Tests in der Arbeitswelt oder vor dem Abschluss von Versicherungen sein. Grund: Auch bei solchen Tests kann es zu medizinisch relevanten Ergebnissen kommen.

Aus- und Weiterbildungsverordnungen sollten angepasst werden

Das mehr als 200 Seiten starke Werk, das im Auftrag der Bundesregierung entstanden ist, will die Vorsitzende des Ethikrates, Christiane Woopen, daher auch als Beitrag zum Patienten- und Verbraucherschutz verstanden wissen. "Die Ergebnisse betreffen jeden von uns". Genetische Diagnostik stehe immer umfangreicher, billiger und niedrigschwelliger zur Verfügung, sagte Woopen.

Durch sinkende Kosten, schnellere Analysen sowie durch Diagnostik-Angebote im Internet hätten immer mehr Menschen direkten Zugang zu genetischer Diagnostik.

Die Bundesregierung sollte nach Ansicht der Ratsmitglieder gemeinsam mit der Europäischen Union hier mehr Verbraucherschutz schaffen.

Im Internet erhältliche Testkombinationen, mit denen die Veranlagung zu schweren Erbkrankheiten festgestellt werden könnten, sollten, wenn überhaupt, nur über Ärzte abgegeben werden können.

Um Ärzte in die Lage zu versetzen, die Bedeutung genetischer Faktoren bei Prävention, Diagnostik und Therapie von Erkrankungen und Entwicklungsstörungen zu kennen, sollten die Aus- und Weiterbildungsordnungen der Ärzte dahingehend angepasst werden.

Sie müssten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Ärzte die für die Vornahme der genetischen Diagnostik und den Umgang mit ihren Ergebnissen in der allgemein- und fachärztlichen Versorgung jeweils erforderlichen aktuellen Kenntnisse haben und einschätzen können, wann sie ihre Patienten an Spezialisten überweisen müssten.

Bewährungsprobe bestanden

Die Personalisierte Medizin habe ihre ersten Bewährungsproben vor allem in der Onkologie und in der Pharmakogenetik bestanden, betonten die Ratsmitglieder.

Die Selbstverwaltung müsse sicherstellen, dass die Kassen die Kosten nicht nur für Therapeutika, sondern zeitnah auch für die mit einer Behandlung verknüpften Diagnostika übernähmen.

Kritischer sieht der Rat die Chancen der stratifizierenden Medizin im Kampf gegen Volkskrankheiten.

Bei Übergewicht und Diabetes halte sie noch nicht, was manche versprächen. Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) unterstrich die Schutzwürdigkeit der Patienten beziehungsweise Verbraucher.

"Das Schwierige ist der Umgang mit dem Wissen," sagte Wanka. Gendiagnostik dürfe das Selbstbestimmungsrecht nicht aushebeln. Es gebe ein Recht auf Nichtwissen.

Dieses Urteil ist nicht endgültig: Catenhusen plädierte dafür, in fünf Jahren eine erneute Überprüfung des Erkenntnisstands vorzunehmen.

Lesen Sie dazu auch: Pränataldiagnostik: Der Keil im Ethikrat

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