Aids

Patienten fühlen sich immer noch stigmatisiert

Aids-Organisationen beklagen weiter Diskriminierung von HIV-Infizierten im Versorgungsalltag. Sie fordern mehr Sensibilität - auch im Umgang mit Patientenakten.

Von Anna Gentrup Veröffentlicht:
Die gesellschaftliche Situation von Aids-Patienten hat sich nicht verbessert, klagen Organisationen.

Die gesellschaftliche Situation von Aids-Patienten hat sich nicht verbessert, klagen Organisationen.

© Syda Productions / fotolia.com

DÜSSELDORF. Mit einem gemeinsamen Appell fordern die Deutsche Aids-Gesellschaft (DAIG), die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) und die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) ein Ende der Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit einer HIV-Infektion im Gesundheitswesen.

Betroffene erfahren im Gesundheitswesen außerhalb der eigentlichen HIV-spezifischen Versorgung immer wieder Diskriminierung und Benachteiligung, sagte DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb auf dem Deutsch-Österreichischen Aids-Kongress in Düsseldorf.

"Sie bekommen keinen Termin beim Arzt oder nur den letzten Termin am Tag, mit dem Hinweis, dass die ganze Praxis oder der Behandlungsraum gesondert desinfiziert werden müsse."

Häufig würden in Praxen und Kliniken die Patientenakten von HIV-Infizierten deutlich sichtbar markiert, mit einem roten Punkt oder mit der Aufschrift "HIV-Positiv". Darüber könnten auch andere Patienten oder Klinikbesucher von der Infektion erfahren.

"Die Veröffentlichung einer Diagnose ist ein Vertrauensbruch der trotz der Absicht, Menschen damit zu beschützen, im Zweifel Angst schürt", sagte Klumb. Es sei erstaunlich, dass heutzutage im Bereich Medizin noch immer viel Unwissenheit und Unsicherheit herrsche.

Ärzte bei  Aids-Beratung unsicher

Eine Umfrage der Privaten Krankenversicherer aus dem Jahr 2014 zeigt, wie unsicher sich viele Mediziner im Umgang mit HIV-positiven Menschen fühlen.

Nur 30 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte gaben an, sich in der HIV- und Aids-Beratung kompetent zu fühlen. 14 Prozent fürchteten, sich im Berufsalltag mit HIV zu infizieren.

Dabei gebe es bei der Behandlung HIV-positiver Menschen keine besonderen Risiken und deswegen auch keine Notwendigkeit von besonderen Hygienemaßnahmen, wie besonderen Behandlungsräumen oder extra Sprechzeiten.

"Stigmatisierung ist immer unbegründet", betonte Klumb. "Sie führt dazu, dass HIV-Infizierten fundamentale Rechte verweigert werden, und sie konterkariert die erfolgreiche Behandlung und Prävention."

Die Hoffnung der Organisationen, dass sich die Situation von HIV-Patienten im Gesundheitswesen durch den medizinischen Fortschritt und bessere Aufklärung verbessert, hat sich nicht erfüllt.

"Wir sind damit konfrontiert, dass Fachfremde nicht damit umgehen können", sagte sie. "Da treffen wir heute nicht auf weniger Unwissenheit, sondern auf mehr."

Beschwerdeverfahren nicht ausreichend transparent?

Verbesserungsbedarf sehen die Aids-Organisationen auch bei den Beschwerdeverfahren, die Patienten etwa bei den Ärztekammern gegen Mediziner einleiten können. Sie seien nicht ausreichend transparent, endeten oft im Nichts und die Betroffenen erhielten nicht einmal eine Antwort, monierte Klumb.

Sie appelliert an Ärztekammern und Bundesverbände, das Beschwerdeverfahren als Teil des Qualitätsmanagements zu begreifen. Das biete die Chance, die Behandlung von Menschen mit HIV zu verbessern.

Neben sozialer Ausgrenzung bereitet HIV-Positiven die lückenhafte Versorgungssituation in der HIV-spezifischen Medizin Probleme. "Patientinnen und Patienten sollten die Wahl haben, sich in der HIV-Ambulanz einer Klinik oder von auf HIV spezialisierten niedergelassenen Ärzten behandeln zu lassen", sagte Guido Schlimbach, Sprecher der Aids-Hilfe NRW.

Dort sei die Versorgung mit HIV-Schwerpunktpraxen in zumutbarer Nähe schon jetzt nicht mehr gewährleistet. Viele Ärzte seien heute bereits im Alter von Mitte bis Ende 50, werden ihre Schwerpunktpraxen also in absehbarer Zeit aufgeben.

"Wir appellieren an die niedergelassenen Ärzte, junge Mediziner dafür zu begeistern, eine Praxis zu übernehmen", sagte Schlimbach. Zudem müssten sich mehr Mediziner auf die HIV-Arbeit spezialisieren.

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