Abstammungsrecht

Familie 2.0: Jetzt kommt die "Mit-Mutter"

Das Abstammungsrecht passt nicht mehr zur bunten Welt der Reproduktionsmedizin. Jetzt liegen Expertenvorschläge vor.

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BERLIN. Mutter, Vater, Kind: Das gilt immer häufiger nicht mehr. Durch die Reproduktionsmedizin werden Familienkonstellationen immer vielfältiger. Doch das geltende Abstammungsrecht in Deutschland findet häufig für die gelebte soziale Wirklichkeit keine passenden Regelungen mehr.

Am Dienstag hat daher ein elfköpfiger Expertenkreis Reformvorschläge an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) übergeben. Die Frage, wer die Eltern eines Kindes sind, ist mit vielen Rechtsfolgen verknüpft: elterliche Sorge, Unterhalt oder das Namens- und Erb-recht. Die von der früheren Richterin am Bundesgerichtshof, Dr. Meo-Micaela Hahne, geleitete Kommission empfiehlt in 91 Thesen eine "moderate" Fortentwicklung des Rechts. Dabei seien Rechtssicherheit und Verlässlichkeit von überragender Bedeutung. Minister Maas bezeichnete den Bericht als einen wichtigen Beitrag für den "Prozess des Umdenkens".

Aufgegeben werden soll der Begriff der "Abstammung", denn er legt nahe, dass es nur um Personen geht, die genetisch miteinander verwandt sind, heißt es in dem 136-seitigen Bericht. Statt dessen sollte von "rechtlicher Eltern-Kind-Zuordnung" gesprochen werden. Der sperrige Begriff deutet an, wie komplex es ist, neue Familienkonstellationen in ein stimmiges Gesamtkonzept zu integrieren:

» Für Diskussionen sorgen dürften vor allem Empfehlungen zur "gespaltenen" Elternschaft, wenn zum Beispiel rechtlich-soziale und genetische Vaterschaft auseinanderfallen. Hier regen die Experten an, dass neben der rechtlichen Mutter der zweite Elternteil sowohl ein Mann als auch eine Frau sein kann – Letztere wird als "Mit-Mutter" bezeichnet.

» Kontrovers haben die Experten nach eigenen Angaben darüber diskutiert, ob ein Kind rechtlich nur einen Elternteil (etwa nach einer anonymen Samenspende) oder mehr als zwei Eltern haben kann. Letzteres lehnt die Mehrheit ab. Unabhängig vom Rechtsstatus könnten sozialen oder genetischen Eltern aber einzelne Rechte und Pflichten – wie etwa die Mitbestimmung im Rahmen der elterlichen Sorge – zugewiesen werden.

» Keine Änderung soll es bei der rechtlichen Mutter geben: Dies sei die Frau, die das Kind geboren hat.

» Bei der Frage, wer neben der Mutter zweiter Elternteil wird, soll der Wille zur rechtlichen Elternschaft mehr Gewicht als bisher erhalten. Ausgangspunkt dafür sei die Überlegung, dass Kinder typischerweise dort am besten aufwachsen, "wo es ein Bekenntnis der Eltern zur Übernahme der Verantwortung gibt". Dabei sollte es –  wie im geltenden Abstammungsrecht – keine konkrete Kindeswohlprüfung im Einzelfall geben.

» Bei der Geburt eines Kindes nach einer In-vitro-Fertilisation schlagen die Experten ein Einwilligungskonzept vor: Die Person soll zweiter Elternteil sein, die der IvF zugestimmt hat. Analoge Regeln werden für die Embryospende vorgeschlagen. Nicht gelten soll dieses Vorgehen dagegen bei nicht ärztlich-assistierter Fortpflanzung wie etwa der "Becherspende". (fst)

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