Big Data

Algorithmen: Gefahr für die Solidarität?

Wer seine Daten teilt, kann dem medizinischen Fortschritt helfen. Stimmt das? Ethikräte aus drei Nationen haben sich an einer Antwort versucht.

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BERLIN. Das Gutachten des Deutschen Ethikrats "Big Data – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung" findet auch im Ausland Widerhall – und bleibt trotz jeder Menge Lob nicht unwidersprochen.

Genetische und medizinische Daten von gesunden und kranken Menschen können zur Prävention von Krankheiten und per Mustererkennung auch zu schnellen, personalisierten Therapien führen. Darin waren sich die Ethikexperten aus der Schweiz, Österreich und Deutschland bei einem Treffen am Freitag in Berlin einig.

Markus Zimmermann von der Schweizer Nationalen Ethikkommission betonte jedoch die Gefahren, die in den seit Jahren auflaufenden, riesigen Datenmengen und den Verfahren schlummern, sie auszuwerten. "Es wird sichtbar, wer mehr und wer weniger Ressourcen für seine Gesundheit benötigt", sagte Zimmermann.

Solidarität in Gefahr

In der Schweiz sehe er eine Tendenz zur Entsolidarisierung der Gesellschaft. Schweizer Lebensversicherer hätten bereits Einblicke in Gentests gefordert, so Zimmermann.

In seiner Einführung hatte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Professor Peter Dabrock, die Hoffnung geäußert, dass der Einsatz von Big Data in der Medizin ärztliche Arbeitszeit freischaufeln könne, die sie in die Zuwendung zum Patienten investieren könnten. Das sei naiv, erwiderte Zimmermann. Wirtschaftliche Interessen dürften vorherrschen.

Mensch gegen Maschine

Große Datensammelstellen wie Google und Apple seien nicht mehr Marktteilnehmer, sondern würden zu Regulierern, warnte Barbara Prainsack vor wachsenden Asymmetrien im Machtgefüge. Verantwortlichkeiten müssten zurechenbar bleiben. Das werde bei der sich abzeichnenden völligen Automatisierung mancher Diagnostik und Therapie sowie der selbstständigen Lernfähigkeit von Algorithmen zunehmend schwerer. Wenn man die Entscheidungsgrundlagen für Therapieentscheidungen nicht mehr einsehen könne, verliere die menschliche Spezies die Kompetenz, selbst Entscheidungen zu treffen, sagte das Mitglied der Bioethikkommission beim österreichischen Bundeskanzler. (af)

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