Magermodels

Spieglein, spieglein, wer ist die Dünnste im ganzen Land?

Schön oder spindeldürr: Die Debatte um Magersüchtige auf dem Laufsteg hat mit der neuen Staffel "Germany‘s Next Topmodel" wieder eingesetzt. Sollen Magermodels auch in Deutschland gesetzlich verboten werden?

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Dünne Beine, hohe Schuhe. Politiker fordern Mindestmaße für Models.

Dünne Beine, hohe Schuhe. Politiker fordern Mindestmaße für Models.

© Jens Kalaene / dpa

NEU-ISENBURG. Ob die Neuauflage der großen Koalition wirklich kommt, entscheiden die SPD-Mitglieder in den nächsten Wochen, in einer Sache scheinen sich die Koalitionäre aber schon heute einig zu sein: Mehrere Vertreter von Union und SPD haben sich gegen den Schlankheitswahn in der Modelbranche ausgesprochen.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte dem "Spiegel", sogenannte Size-Zero-Models gaukelten ein Ideal vor, welches weder ästhetisch noch gesund sei und zu gefährlichen Langzeitschäden für Körper und Seele bis hin zum Tod führten.

Die CSU-Politikerin Dorothee Bär, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, glaubt, dass trotz aller bisherigen Ansätze "Aufklärung allein an ihre Grenzen zu stoßen scheint". Der SPD-Gesundheitspolitiker Professor Karl Lauterbach schlussfolgert, es bräuchte eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor Magersucht.

Anlass für diese Äußerungen dürfte der Start der 13. Staffel von "Germany's Next Topmodel" auf "Pro Sieben" sein, in der Heidi Klum erneut 50 Mädchen über diverse Laufstege und durch allerlei Prüfungen schickt.

An dem dort transportierten Schönheitsideal hat es immer wieder Kritik gegeben, da die Maße der meist sehr dürren Möchtegern-Mannequins weder den Figuren im wahren Leben entsprechen, noch unter Gesundheitsaspekten empfehlenswert sind.

"Auch Mädchen mit tollen Kurven"

Jurorin Klum hat dem in der neuen Staffel bereits in Maßen Rechnung getragen: Statt ausschließlich klassischer Magermodels sind "heute auch Mädchen mit tollen Kurven zu sehen", sagte Klum zum Start der Sendung Anfang des Monats und beteuerte, es gehe "um Mädchen mit Persönlichkeit, die interessant sind".

Dies scheint die Zuschauer allerdings nicht zu überzeugen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov findet die Mehrheit der Deutschen, das Format vermittle ein falsches Schönheitsideal.

Mit teilweise fatalen Folgen: Statistiken zeigen eine Zunahme essgestörter Mädchen und stationärer Behandlungen wegen Essstörungen. Das Problem werde in Deutschland aber nach wie vor unterschätzt, sagt Lauterbach dem "Spiegel". "Es gibt kaum eine Erkrankung, bei jungen Frauen, die eine so hohe Sterblichkeitsrate hat wie Magersucht– und die Heilungschancen sind gering."

Andere Länder haben bereits Konsequenzen gezogen. In Frankreich müssen sich Frauen einen bestimmten Body-Mass-Index von einem Arzt bescheinigen lassen, wollen sie als Model auf die Laufstege. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Menschen als untergewichtig ein, deren Body-Mass-Index unter 18,5 liegt.

Für die Modebranche sind Verstöße teuer: Wer Models ohne diese Bescheinigung beschäftigt, kann mit bis zu sechs Monaten Haft und einer Zahlung von 75.000 Euro bestraft werden. Die Bescheinigungen müssen alle zwei Jahre erneuert werden.

Spanien und Israel haben ähnliche Vorschriften, in Italien haben sich Designer und Modeindustrie eine Selbstverpflichtung auferlegt, wonach Models ein gesundes Aussehen haben und nicht unter 16 Jahren sein sollen.

Regelungen der Nachbarländer

Die CSU-Politikerin Bär sagte dem "Spiegel", sie sehe "die Zeit gekommen, sich die Regelung unserer Nachbarn genau anzusehen". Initiativen in diese Richtung gab es in der Vergangenheit auch schon in Deutschland.

So vereinbarten im Jahr 2008 die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) mit mehreren Verbänden der Modebranche eine "Nationale Charta der Textil- und Modebranche." Demnach sollten keine Models mit einem Body-Mass-Index von weniger als 18,5 zu engagiert und keine Mode unter Kleidergröße 36 gezeigt werden.

Damit sollte ein deutliches Signal gegen ein "unnatürliches und ungesundes Körperideal" gesetzt werden, sagte Schmidt seinerzeit. Eine offenbar immer noch aktuelle Forderung: Bär verlangt wieder mehr "Abbilder der Wirklichkeit".

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