Klinikaufenthalt nötig?

So soll die Ersteinschätzung via Telefon funktionieren

Sowohl die KBV als auch einzelne Krankenhäuser haben längst damit begonnen, die Notfallversorgung zu reformieren. Eine algorithmen-gestützte Erst-Triage soll dabei helfen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Am Telefon und mit Hilfe einer Algorithmen-gestützten Erst-Triage: Geht so Ersteinschätzung?

Am Telefon und mit Hilfe einer Algorithmen-gestützten Erst-Triage: Geht so Ersteinschätzung?

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BERLIN. Im Rahmen eines Projekts des Innovationsfonds entwickelt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) eine algorithmen-gestützte Erst-Triage, mit deren Hilfe auch nichtärztliche Gesundheitsberufe Patienten am Telefon bei Notfällen gezielt beraten können.

Dabei soll, wie ZI-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried beim Nationalen Qualitätskongress in Berlin sagte, zuverlässig festgestellt werden, ob Patienten aufgrund ihrer Symptome dringend unmittelbarer medizinischer Hilfe, etwa einen Rettungseinsatz, bedürfen.

Die Selbsteinschätzung eines tatsächlichen oder vermeintlichen Gesundheitsproblems durch Patienten sei unzuverlässig, so Stillfried. Untersuchungen in der Schweiz hätten ergeben, dass nur zwei Prozent derjenigen, die glauben, sie bedürften einer Krankenhausaufnahme, tatsächlich eine stationäre Behandlung benötigen.

Andererseits ist bei einem Drittel derer, die glauben, eine Selbstbehandlung – etwa durch Selbstmedikation – sei ausreichend, tatsächlich ärztliche Hilfe indiziert.

Evaluation soll bis 2021 fertig sein

In dieser Konstellation – und dabei handelt es sich jährlich um etwa 30 Millionen Fälle in Deutschland – ist eine telefonische Erst-Triage sinnvoll und notwendig.

Gemeinsam mit dem Göttinger AQUA-Institut entwickelt das ZI im Rahmen eines Innovationsfonds-Projekts seit diesem Frühjahr ein algorithmen-unterstütztes System zur telefonischen Erst-Triage. Es soll es ermöglichen, anrufende Patienten mit Gesundheitsproblemen zuverlässig in die geeignete Versorgungsstufe zu schleusen.

Die Entwicklung und Evaluation läuft über drei Jahre und soll im Frühjahr 2021 abgeschlossen sein. Geplant ist ein nationales medizinisches Regelwerk, das auf 85 Leitsymptomen basiert. Die Anforderungen an die Ersteinschätzung sind so definiert:

» Es muss eine hochsensible Erkennung gefährlicher Krankheitsverläufe gewährleistet sein, bei denen eine unverzügliche medizinische Intervention notwendig ist.

» Die Ersteinschätzung muss zu einer krankheitsadäquaten Zuweisung zu einer Versorgungsstufe – Hausarzt oder Facharzt – in Verbindung mit der Dringlichkeit der Behandlung führen.

» Die Dokumentation der Ersteinschätzung muss möglichst einfach sein.

» Die Abfragesystematik muss sich auf medizinische Algorithmen stützen.

Erfahrungen mit derartigen Triage-Systemen in der Schweiz zeigten, dass in 55 Prozent der Fälle eine Selbstbehandlung ausreichend ist, die Patienten also keine ärztliche Hilfe benötigen. In 42 Prozent der Fälle wird geraten, den Hausarzt zu konsultieren und nur bei drei Prozent der Patienten ist eine Krankenhauseinweisung indiziert.

Aber auch Krankenhäuser haben sich auf den Weg gemacht, ihre Notfallaufnahmen zu reformieren. So etwa das Klinikum Frankfurt-Höchst. Der Hintergrund, so Chefarzt Dr. Peter-Friedrich Petersen: steigende Patientenzahlen, Kapazitätsengpässe und lange Wartezeiten.

Wartezeiten deutlich gesunken

Die Konsequenz sei gewesen, dass man im Oktober 2017 einen Tresen zur Erst-Triage eingerichtet habe, der – anders als es das Konzept des Sachverständigenrates vorsieht – nicht mit Vertragsärzten, sondern mit klinikeigenen Fachkräften besetzt ist.

Dies sei eingehend auch mit der KV diskutiert worden, die man schließlich davon habe überzeugen können, dass auch die klinikeigenen Fachkräfte v on dem Ziel geleitet seien, dass das Krankenhaus entlastet werden soll.

Die Effekte: Deutliche Verringerung der Wartezeiten in der Notfallaufnahme, aber keine sinkende Einweisung ins Krankenhaus. Der Anteil der Fehleinschätzungen bei der Erst-Triage habe sich von anfänglich sechs auf inzwischen ein Prozent verringert.

Aufgrund von Kooperationsvereinbarungen mit ambulanten Partnerpraxen können Patienten dort noch am gleichen Tag einen Behandlungstermin erhalten.

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