Transplantation ist die Wiedergeburt

Soll jeder Deutsche mindestens einmal im Leben darüber entscheiden müssen, ob er Organe spenden möchte oder nicht? Ein großes Bündnis aus Transplantationsmedizinern, Politikern und auch Kirchenvertretern ist dafür.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Die Zahl der Organspender ist in Deutschland immer noch verhältnismäßig niedrig. Eine Entscheidungspflicht könnte die Zahlen eventuell erhöhen.

Die Zahl der Organspender ist in Deutschland immer noch verhältnismäßig niedrig. Eine Entscheidungspflicht könnte die Zahlen eventuell erhöhen.

© dpa

KEVELAER. In der aktuellen Debatte über die Organspende wird ein Aspekt leicht übersehen: Die Angehörigen Sterbender, die potenzielle Organspender sind, sind bereits heute gezwungen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.

Darauf hat der Transplantationsmediziner Professor Eckhard Nagel bei der Auftaktveranstaltung des "Aktionsbündnis Organspende im Rheinland" aufmerksam gemacht. "Es gibt heute schon eine Entscheidungspflicht für eine kleine Gruppe, die unter der jetzigen gesetzlichen Regelung leidet", sagte der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Essen.

Mitglied des Ethikrats ist für Entscheidungslösung

Der Zwang, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, treffe diese Menschen in einer Ausnahmesituation. "Ich glaube, dass der Gesetzgeber gut beraten ist, die Entscheidungspflicht auf jeden einzelnen zu übertragen."

Er halte es für ethisch verantwortbar, jeden zu dem Thema zu befragen, betonte Nagel, der Mitglied des deutschen Ethikrats ist. Er schilderte eindringlich das Potenzial der modernen Medizin für Menschen, die ein Spenderorgan benötigen.

Viele Betroffene erhielten auf diesem Weg die Chance, ihr Leben wieder normal zu gestalten und die Lebensqualität deutlich zu erhöhen. "Transplantation ist die Möglichkeit, tatsächlich wiedergeboren zu werden", sagte er.

Breitenwirksame Informationen über Organspende

Das "Aktionsbündnis Organspende im Rheinland" ist eine Initiative der AOK Rheinland/Hamburg und der Deutschen Stiftung Organtransplantation, unterstützt von den Bundesliga-Vereinen 1. FC Köln, Bayer 04 Leverkusen und Borussia Mönchengladbach. Ziel ist die breitenwirksame Information über das Thema Organspende.

Das Aktionsbündnis sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Bundeskanzleramtsminister Roland Pofalla (CDU). Er begrüßte, dass für die gesetzliche Neuregelung der Organspende eine parteiübergreifende Lösung gesucht wird.

"Es ist eine vertrauensbildende Maßnahme, wenn jenseits des Parteienstreits der Versuch unternommen wird, zu einer Lösung zu kommen, die mit dazu beiträgt, dass die Zahl der Organspenden substantiell steigen kann", sagte Pofalla.

Zustimmungslösung oder Erklärungslösung?

Die Erfahrung mit dem 1997 verabschiedeten Transplantationsgesetz habe gezeigt, dass die erweiterte Zustimmungslösung nicht ausreicht, um diesem Ziel näher zukommen, sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag Frank-Walter Steinmeier.

Deshalb sei es notwendig, dass sich jeder einzelne zu seiner Spendebereitschaft äußert. "Es ist klar, dass damit nicht jeder zum Organspender wird", betonte er. Dennoch wird die Erklärungslösung seiner Einschätzung nach zu einer Erhöhung der Spenderzahlen führen.

Niemand wolle sich über die Bedenken der Menschen hinwegsetzen, sagte Steinmeier. Religiöse und ethische Gesichtspunkte könnten gegen Organspende und Transplantation sprechen. "Alle, die im Bundestag für die Erklärungslösung eintreten, haben Respekt vor denjenigen, die sich eine Organspende nicht vorstellen können." Jeder müsse die Entscheidung frei fällen können.

"Wir sollten aber nicht so tun, als ob schon die Frage, ob jemand Organspender sein möchte, eine Einschränkung des Rechts der freien Selbstbestimmung ist", sagte Steinmeier.

Freiwilligkeit ist das Schlüsselwort

Aus Sicht der christlichen Kirchen sei die Organspende ein Ausdruck der Nächstenliebe, sagte Dieter Geerlings, Weihbischof für die Diözese Münster. "Sie ist ein Zeichen der Hilfsbereitschaft, die in besonderer Weise Anerkennung, Wertschätzung und Bewunderung verdient." Zentral sei die Freiwilligkeit der Entscheidung, sagte Geerlings.

"Die Organspende erfordert die freie und informierte Zustimmung des Spenders."

Das spricht aus seiner Sicht gegen die reine Widerspruchslösung. Mit der Erklärungslösung könnte sich Geerlings dagegen anfreunden. Jeder Bürger sollte sich mit dieser Frage auseinander setzen, forderte er. "Es muss aber möglich sein, die Entscheidung auf später zu vertagen oder eine Erklärung rückgängig zu machen."

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