Organspende-Skandal

Die mühsame Arbeit der Aufklärer

Alles nur Einzelfälle? Im Skandal um Transplantationen in Göttingen und Regensburg kommen immer neue Details ans Licht - etwa die Verquickung der beiden Ärzte. Jetzt kommt die Zeit der Ermittler.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
UMG-Vorstand Siess: Wer war beteiligt?

UMG-Vorstand Siess: Wer war beteiligt?

© Julian Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN. Ein Tisch, ein Stuhl, einige Regale und viele Aktenordner: Was wie eine Amtsstube aussieht, ist derzeit einer der wichtigsten Orte innerhalb der Göttinger Universitätsmedizin.

Der unscheinbar wirkende Raum ist das logistische Zentrum zur Aufklärung und Aufarbeitung des Transplantationsskandals. Hier befinden sich die Akten zu den derzeit insgesamt 23 Verdachtsfällen.

Diese Unterlagen stehen nicht nur den Staatsanwaltschaften zur Verfügung. Auch die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) selbst betreibt aktive Aufklärungsarbeit: Sie hat eigens zwei Ärzte abgestellt, die mehreren externen Gutachtern und den Prüfern der Bundesärztekammer zuarbeiten.

Bei den Ermittlungen gibt es drei Stränge: Die Justiz prüft, ob sich zwei Mediziner des Göttinger Uni-Klinikums - der frühere Leiter der Transplantationschirurgie und der Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie - strafbar gemacht haben.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Die Staatsanwaltschaft Göttingen prüft, ob andere Patienten infolge eines ausgebliebenen Spenderorgans verstorben sind. Sie ermittelt deshalb wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in 23 Fällen.

Daneben untersucht eine eine Kommission der Bundesärztekammer den Fall.

Für die Zukunft lernen

Die Universitätsmedizin wiederum will nicht nur die Vergangenheit schonungslos aufarbeiten, sondern auch Lehren für die Zukunft ziehen. Sie hat deshalb ihrerseits eine dreiköpfige externe Kommission beauftragt, den Fall aufzuklären und Schwachstellen ausfindig zu machen.

Die Experten sollen auch die internen Abläufe beleuchten, um im Detail zu klären, wie es zu diesen Manipulationen kommen konnte. "Wer war beteiligt? Wer hätte was wissen können oder müssen? Das wollen wir herausfinden", sagt UMG-Vorstand Professor Martin Siess.

Die offensive Aufklärungsarbeit unterscheidet sich deutlich von der Uni-Klinik in Regensburg, wo der Oberarzt vorher auffällig geworden war. Er hatte dort im Jahr 2005 eine Spenderleber nach Jordanien und mehrere jordanische Patienten auf die Eurotransplant-Warteliste gesetzt.

Damit dies nicht auffiel, wurde als Wohnort die Adresse des Uni-Klinikums angegeben.

Der jetzige Vorstand der Göttinger Universitätsmedizin hat dagegen sofort personelle Konsequenzen gezogen. Bereits einen Tag nach einem ersten Hinweis der Bundesärztekammer im November 2011 wurde der Chirurg beurlaubt.

Auch bei dem Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie, der seit 20 Jahren am Klinikum tätig ist, wurde nicht lange gefackelt.

Ganz anders damals in Regensburg: Dort konnte der Chirurg unbehelligt weiterarbeiten und sogar weiter Karriere machen. 2008 bewarb er sich auf die neu zu besetzende Stelle des Leiters der Transplantationschirurgie in Göttingen und setzte sich gegen mehrere Bewerber durch.

Karrieren eng verzahnt

Tatsächlich hatte dieser beste Referenzen. Seine Karriere ist eng mit dem Direktor der Chirurgischen Klinik in Regensburg verknüpft.

Dieser wurde am Donnerstag beurlaubt, weil er möglicherweise seine Aufsichtspflicht verletzt habe, wie der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch sagte.

Zuvor hatten Ermittlungen ergeben, dass auch in Regensburg im Zusammenhang mit Lebertransplantationen Krankendaten manipuliert wurden. Bei neuen Untersuchungen der Klinikleitung sei man auf insgesamt 23 Verdachtsfälle in den Jahren 2004 bis 2006 gestoßen.

Der jetzt beurlaubte Chirurgie-Direktor war der Mentor und Chef des Oberarztes. Beide haben viele Jahre eng zusammengearbeitet, beide starteten ihre Karriere an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

Der heute 51 Jahre alte Direktor habilitierte sich dort 1994 mit Forschungen zu Leber-, Lungen- und Herztransplantationen. Der heute 45-jährige Oberarzt war dort von 1995 bis April 2001 Assistenzarzt.

Gemeinsam entwickelten sie ein neues Verfahren für die Lebertransplantation mit lebenden Spendern. Während der Mentor 2002 für ein Jahr nach Australien ging, wechselte der Assistenzarzt zur Uni-Klinik Göttingen.

Dort blieb er nicht lange: Als der Mentor 2003 den Lehrstuhl für Chirurgie an der Universitätsklinik Regenburg übernahm, holte er seinen früheren Kollegen mit an die Donau.

Wie eng die Verbindung zwischen den beiden war, zeigt sich auch daran, dass der Chirurgie-Direktor nicht nur die Doktorarbeit des Transplantationschirurgen als Erstgutachter betreute.

Auch die Ehefrau des Chirurgen, eigentlich eine Zahnmedizinerin, promovierte bei ihm. Auch nach den Vorfällen im Jahr 2005 gab es zahlreiche weitere gemeinsame wissenschaftliche Veröffentlichungen der beiden Transplantationsmediziner.

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