Organentnahme

Ethikrat bekennt sich zur bestehenden Hirntod-Praxis

Der Deutsche Ethikrat hält am eindeutig nachgewiesenen Hirntod als Kriterium für die Organentnahme fest und fordert eine bessere Information der Betroffenen und Angehörigen. Auf einen Todesbegriff konnte sich das Gremium jedoch nicht einigen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
In einem Operationssaal wird eine Spenderorganentnahme an einem hirntoten Menschen vorgenommen.

In einem Operationssaal wird eine Spenderorganentnahme an einem hirntoten Menschen vorgenommen.

© epd / imago

BERLIN. Skandale bei der Organvergabe und die Furcht, noch bei lebendigem Leibe seiner Organe beraubt zu werden, halten viele Menschen von der Bereitschaft zur Organspende ab.

In einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme will der Deutsche Ethikrat zumindest in einem Punkt wieder etwas Vertrauen in die Praxis der Organtransplantation zurückgewinnen.

Er stellt sich einstimmig hinter die derzeit in Deutschland geltende Regelung, die den eindeutig nachgewiesenen Hirntod als Voraussetzung für die Organentnahme vorsieht. Zugleich fordert das Gremium, die Kommunikation mit Spendewilligen und Angehörigen zu verbessern.

Irreversibilität ist nachzuweisen

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Stellungnahme des Deutschen Ethikrats: Hirntod und Entscheidung zur Organspende (Größe: 806 KB)

In seiner Stellungnahme ist der Ethikrat auch weiterhin der Auffassung, dass der Hirntod gemäß der Richtlinie der Bundesärztekammer (BÄK) festgestellt werden muss.

Dabei ist die Irreversibilität des Hirnausfalls explizit nachzuweisen - über zwei klinische Untersuchungen im Abstand von Stunden oder gar Tagen oder durch zusätzliche apparativ ermittelte Befunde wie ein Nulllinien-EEG, erloschene evozierte Potenziale oder einen zerebralen Zirkulationsstillstand.

Die Bundsärztekammer wird aufgefordert, die "Methoden der Hirntoddiagnostik dem Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft kontinuierlich anzupassen". Die aktuelle Richtlinie ist immerhin 17 Jahre alt - die Forderung des Ethikrats ist also nicht ganz unbegründet.

Herzstillstand kein Kriterium

Deutlich auf Distanz geht der Ethikrat zu anderen Organ-Entnahme-Formen wie der Entnahme nach Herzkreislaufstillstand (Non-Heart-beating-Donation).

Bleiben Reanimationsversuche bei solchen Patienten erfolglos, wird nach einer gewissen Zeit vom Hirntod ausgegangen - mit der Begründung, dass dann der Ausfall der Hirnfunktion total und irreversibel sei.

Ein solches Vorgehen ist etwa in der Schweiz legitim, in Deutschland aber verboten.

Der Ethikrat empfiehlt, an diesem Verbot festzuhalten. Die Begründung: "Nach derzeitigen Erkenntnissen lässt eine lediglich fünf- bis zehnminütige Wartezeit nach Herzstillstand, wie sie im Ausland weit verbreitet ist, nicht den sicheren Schluss auf das irreversible Erlöschen aller Hirnfunktionen zu."

Zudem könnte die Aussicht auf Spenderorgane die Reanimationsbereitschaft der beteiligten Ärzte trüben - diesem Verdacht will man sich in Deutschland jedenfalls nicht aussetzen.

Kritik an Infomaterialien

Einigkeit herrscht in der Stellungnahme auch zur Informationspflicht der Betroffenen: Hier sieht der Ethikrat erheblichen Verbesserungsbedarf. Krankenkassen dürften nicht einfach auf eine allgemeine Hotline verweisen, um die Informationspflicht gemäß Transplantationsgesetz Paragraf 2 zu erfüllen.

Ferner fordert das Gremium, das Gesetz dahingehend zu ergänzen, dass mit Angehörigen über die Entscheidung zur Organentnahme und zu organprotektiven Maßnahmen bereits vor dem Hirntod begonnen werden darf.

Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wird aufgefordert, ihre Informations-Materialien zu überarbeiten.

So kann es zwischen einer Patientenverfügung, die einen Verzicht auf intensivmedizinische Maßnahmen am Lebensende verlangt, und der Bereitschaft zur Organspende zum Konflikt kommen.

Eine Organspende sieht in der Regel Intensivmedizin vor, um die Organe am Leben zu halten. Dies sollten die Informations-Materialien potenziellen Organspendern erläutern, heißt es in der Stellungnahme.

Wann ist ein Patient tot?

Keine Einigkeit gab es jedoch darüber, wann ein Patient als tot zu betrachten ist. 18 von 25 Mitgliedern des Ethikrates vertreten die Ansicht, dass mit dem Hirntod auch der Tod des Menschen festzustellen ist und damit die Dead-Donor-Rule erfüllt wird.

Diese verlangt, dass nur bei toten Spendern Organe entnommen werden dürfen.

Eine Minderheit von sieben Mitgliedern hält dagegen den Hirntod nicht für den Tod des Menschen. Sie betrachten den Hirntod letztlich nur als Entnahmekriterium und erachten damit die Dead-Donor-Rule nicht für zwingend.

Menschliches Leben besteht nach dieser Vorstellung auch noch bei einem irreversiblen Totalausfall des Gehirns, da Leben den Organismus als Ganzes betrifft.

Nach diesem Konzept würden also "Organe von Lebenden, wenngleich unausweichlich Sterbenden" entnommen, so der Philosoph Professor Dieter Birnbacher, der lange Zeit selbst im Ethikrat tätig war.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Missverständlicher Begriff

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