Bundesgerichtshof

Richter bestätigen Freispruch für Chirurgen

Es war ein mit Spannung erwartetes Urteil: Der Bundesgerichtshof bestätigt den Freispruch für einen Göttinger Transplantationschirurgen.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Urteil im Transpantationsskandal: Der BGH sah ebenso wie das Landgericht Göttingen das Verhalten des heute 50 Jahre alten Chirurgen zwar als verwerflich an. Die Manipulationen seien aber nicht strafbar gewesen.

Urteil im Transpantationsskandal: Der BGH sah ebenso wie das Landgericht Göttingen das Verhalten des heute 50 Jahre alten Chirurgen zwar als verwerflich an. Die Manipulationen seien aber nicht strafbar gewesen.

© dpa

LEIPZIG/GÖTTINGEN. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch den Freispruch für den früheren Leiter der Transplantationschirurgie am Göttinger Universitätsklinikum bestätigt. Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das erstin-stanzliche Urteil des Landgerichts Göttingen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mediziner versuchten Totschlag vorgeworfen, weil er durch Manipulationen und falsche Angaben dafür gesorgt habe, dass eigene Patienten bei der Vergabe von Spenderorganen bevorzugt wurden. Damit habe er billigend in Kauf genommen, dass andere Patienten auf der Warteliste nach hinten rutschten und sterben könnten.

Der BGH sah ebenso wie das Landgericht Göttingen das Verhalten des heute 50 Jahre alten Chirurgen zwar als verwerflich an. Die Manipulationen seien aber nicht strafbar gewesen. Damit ist der Freispruch rechtskräftig.

Die BGH-Entscheidung war mit großer Spannung erwartet worden, weil es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu gab, wie die inzwischen auch an anderen Transplantationszentren aufgedeckten Manipulationen rechtlich zu bewerten sind. Der Göttinger Chirurg habe auf ganz unterschiedliche Weise Regeln missachtet und unter anderem wahrheitswidrige Angaben über Dialyse-Behandlungen seiner Patienten gemacht, sagte der Vorsitzende Richter des BGH-Senats, Günther Sander, in seiner Urteilsbegründung.

Der Richter übte scharfe Kritik an den systematischen Manipulationen und wahrheitswidrigen Angaben zugunsten eigener Patienten, die es nicht nur in Göttingen gegeben habe. Der Senat empfinde die offenbar bundesweit geübte Praxis als "furchtbar" und "Katastrophe für das Ansehen der deutschen Medizin".

Der BGH bestätigte die Auffassung der Göttinger Schwurgerichtskammer, dass der Chirurg zwar gegen Richtlinien zur Transplantationsmedizin verstoßen habe. Dies sei aber weder als Tötungsdelikt noch als Körperverletzung zu werten. Das Göttinger Gericht habe bei seiner Gesamtbetrachtung des Falls keinen wichtigen Gesichtspunkt aus dem Blick verloren und insbesondere berücksichtigt, dass der Chirurg seinen Patienten habe helfen wollen.

Nach Ansicht der Göttinger Richter habe der Mediziner gewusst, dass "überholte Patienten", die durch seine Manipulationen auf der Warteliste nach hinten rutschten, weiter eine Chance auf ein Organ gehabt hätten, da es ein "Überangebot" gegeben habe. Deren Sterberisiko sei dementsprechend gering gewesen.

Der Chirurg habe darauf vertraut, dass bei diesen Patienten weder der Tod noch eine Körperverletzung eintreten werde. "Der Senat nimmt dieses Ergebnis hin", sagte der Vorsitzende Richter. Das Göttinger Gericht habe einen weiten Beurteilungsspielraum gehabt und keinen Rechtsfehler begangen. Der Senat habe die Wertung bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, auch wenn eine andere Bewertung näher gelegen hätte.

Nach Ansicht des BGH sind auch die Verstöße gegen die Richtlinien der Bundesärztekammer nicht strafbar gewesen. Diese sehen unter anderem vor, dass alkoholkranke Patienten mindestens sechs Monate "trocken" sein müssen, bevor sie eine Leber transplantiert bekommen. "Es gibt keine medizinischen Gründe, die diese sechs Monate Karenzzeit zu rechtfertigen vermögen", sagte der Vorsitzende Richter.

Der Verteidiger des Chirurgen, der Göttinger Rechtsanwalt Steffen Stern, begrüßte die BGH-Entscheidung. "Das war ein Sieg der Vernunft", sagte er. "Die Entscheidung wird nicht jedem schmecken, aber sie entspricht der Rechtslage." Der Senat habe deutlich gemacht, dass das System auf eine verfassungskonforme Grundlage gesetzt werden müsse.

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