Organtransplantationen

Debatte um Situation in China

Ein bekannter deutscher Chirurg transplantiert inzwischen Organe in China. Für deutsche und internationale Fachgesellschaften stellt sich die Frage: Welche Tätigkeiten und Kooperationen sind akzeptabel?

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:
Einem Organspender wird eine Niere entnommen. Dabei sind strikte Standards zu beachten.

Einem Organspender wird eine Niere entnommen. Dabei sind strikte Standards zu beachten.

© Jan-Peter Kasper / dpa

KÖLN. Die Nachricht kam für viele überraschend. Im Januar wurde bekannt, dass Professor Björn Nashan, bis Februar 2017 fast zehn Jahre lang Direktor der Klinik und Poliklinik für Hepatobiliäre Chirurgie und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, seinen Arbeitsplatz in die Volksrepublik China verlegt hat.

Nashan war ein wichtiger Funktionsträger in der deutschen Transplantationsmedizin: stellvertretender Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (BÄK) und Vorsitzender im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die die postmortale Organspende koordiniert.

Außerdem sollte er Präsident der Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) im Herbst in Berlin werden.

Von Ämtern zurückgetreten

Nun sei er wegen öffentlicher Diskussionen und seiner neu aufgenommenen Berufstätigkeit von diesen Ämtern zurückgetreten, so die DTG.

"Ab 12. Januar wird Dr. Nashan jeden Montag- und Freitagmorgen in einem Sprechzimmer erscheinen, um seinen Patienten zu dienen", heißt es auf der Website des Anhui Provincial Hospital in der Provinz Anhui.

Er habe versprochen, alles daran zu setzen, um die Klinik zu einem national führenden und international bekannten Organtransplantationszentrum zu machen, wird der Leberchirurg zitiert.

Professor Bernhard Banas ist Nephrologe am Universitätsklinikum Regensburg und derzeit Präsident der DTG. Auf die Frage der "Ärzte Zeitung" nach seiner ersten Reaktion sagt er: "Erstaunen". Bewerten möchte er nicht.

Postmortale Organe stammten in China bis 2014 vorwiegend von Hingerichteten, was die Regierung lange bestritt. Dann berichtete der Lebertransplantationschirurg Dr. Jiefu Huang, früher stellvertretender Gesundheitsminister in China, in der Zeitschrift "Lancet": "China ist das einzige Land, das systematisch Organe Hingerichteter für die Transplantation verwendet".

Jährlich etwa 10.000 innere Organe

Etwa 10.000 innere Organe würden jährlich übertragen, davon seien 65 Prozent postmortale Organe und von diesen stammten 90 Prozent von Hingerichteten. Zahl und Art der Hinrichtungen seien Staatsgeheimnis.

Trotz einer Anordnung des Justizministeriums, vor einer Organentnahme die Zustimmung des Todeskandidaten oder seiner Familie einzuholen, lasse sich in einem Land von der Größe und Struktur Chinas nicht sicherstellen, dass dies einheitlich geschehe.

Auch Organhandel und Transplantationstourismus seien ein großes Problem. Internationale Forscher riefen dazu auf, die klinische und wissenschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin mit China einzustellen und Anfragen zu Publikationen in Journals mit Peer Review nicht zu akzeptieren .

Jiefu Huang, jetzt Leiter des Nationalen Programms für Organspende und Transplantation, setzte sich dafür ein, dass die Organspende künftig auf Freiwilligkeit basieren und die Transplantationsmedizin in China internationalen Standards entsprechen sollte.

Es würden immer weniger Strafgefangene in China hingerichtet. Ohne ein System der freiwilligen Organspende entstünden große Engpässe. Und die internationalen Diskussionen seien ein Problem.

Kaum freiwillige Spender

Im August 2015 veröffentliche die "China Daily", eine Zeitung in staatlicher Hand, Zahlen: Circa 300 000 Menschen jährlich benötigten ein Organ, circa 10 000 Transplantationen würden vorgenommen und circa 30.000 Patienten stünden auf den Wartelisten der Kliniken.

Nur diese 30.000, also ein Zehntel derer, die ein neues Organ brauchen, könne die Therapiekosten aufbringen, zitierte die Zeitung Jiefu Huang.

Die Tatsache, dass nur ein kleiner Teil der Patienten mit Indikation sich eine Transplantation finanziell leisten kann, wird als einer der Gründe gesehen, warum die Rate der freiwillig gespendeten Organe in China sehr gering ist: Sie liegt bei circa 0,6 pro einer Million Einwohner – postmortal und lebend gespendete Organe zusammen.

Außerdem gibt es Zweifel an gerechter Verteilung sowie religiöse und kulturelle Vorbehalte. Von Januar 2015 an sollten einer Richtlinie zufolge keine Organe mehr von Hingerichteten verwendet werden.

China macht Fortschritte, aber das Organspende- und Verteilungssystem dort ist weder transparent, noch wirklich konform mit den WHO-Richtlinien.

Professor Huige Li, Institut für Pharmakologie der Universitätsklinik Mainz

Professor Huige Li, der am Institut für Pharmakologie der Universitätsklinik Mainz arbeitet und sich mit ethischen Aspekten der Organtransplantation beschäftigt, berichtet in internationalen Fachzeitschriften immer wieder über den Stand in seinem Heimatland.

"China macht Fortschritte, aber das Organspende- und Verteilungssystem dort ist weder transparent, noch wirklich konform mit den WHO-Richtlinien", meint Li.

"Transplantationsmedizin braucht den Rahmen eines demokratischen Systems", hatte Banas auf der DTG-Tagung 2016 gesagt. "Wir haben unsere gesellschaftlichen Werte in diesem Bereich klar definiert. Wenn es Anlass gibt zu zweifeln, dass sie eingehalten werden, müssen wir uns als Fachgesellschaft klar distanzieren."

Statuten der DTG beachten

"Dazu stehe ich auch heute", sagte Banas der "Ärzte Zeitung" auf die Frage, ob eine klinische Tätigkeit als Transplantationsmediziner in China mit einer DTG-Mitgliedschaft vereinbar sei. Nashan habe versichert, seine Tätigkeit entspreche den gesetzlichen Regelungen des deutschen Transplantationsgesetzes.

Derzeit gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Statuten der DTG verstoßen werde, so Banas. Grundsätzlich aber müsse die DTG darüber diskutieren, welche Bedingungen für Kooperationen mit Ländern wie China erfüllt sein müssten.

Nashan teilte mit, er unterstütze das von der EU geförderte Erasmus-Plus-Projekt KeTLOD. Darin werden chinesische Ärzte durch Kooperation mit den Universitäten Barcelona, Bologna und Nizza in der Organspende geschult.

Wie Nashan das Projekt unterstützt, bleibt unklar. Der Bitte um Kontaktaufnahme mit der "Ärzte Zeitung" hat er nicht entsprochen.

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