Organspende aus dem Blick von Teenies

Aufgeschlossen, aber schlecht informiert

Jugendliche und junge Erwachsene halten sich beim Thema Organspende für eher schlecht informiert. Trotzdem sind sie dafür wesentlich aufgeschlossener als Ältere. Wie gehen Schulen mit der sensiblen Frage um? Und wie können die Jungen noch besser erreicht werden?

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Leben mit einem fremden Herzen — auch emotional eine Herausforderung.

Leben mit einem fremden Herzen — auch emotional eine Herausforderung.

© Reiner Kaltenegger / mauritiu

Für viele junge Menschen ist das Thema Organspende ganz weit weg. So ging es auch Bruno Kollhorst, bis er mit 34 ein Spenderherz bekam.

"Das kann jeden erwischen und man kann es nicht vorhersehen", schildert er im Unterrichtsfilm "Organspende macht Schule" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Kollhorst, dessen Herz nach einer Infektion mit Ringelröteln versagte und der seit nunmehr vier Jahren mit Spenderherz lebt, besucht Schulklassen und spricht über seine Erfahrungen. Als Betroffener, so die Hoffnung, erreicht er die Schüler besser als ein Außenstehender.

Und in der Tat reagieren die Jugendlichen aufgeschlossen, haben viele Fragen und trauen sich auch, intime Themen anzusprechen. "Hat sich bei Ihnen nach der Transplantation etwas verändert, also zum Beispiel in der Liebe oder was Ihre persönlichen Meinungen betrifft?", fragt zum Beispiel ein Junge. "Bei mir speziell nicht", sagt Kollhorst.

Ist das Herz der Sitz der Seele?

Viele Menschen würden glauben, dass im Herz die Seele sitzt - "das konnte ich jetzt nicht feststellen." Er habe die Frau, mit der er damals zusammen gewesen sei, mittlerweile geheiratet, in dieser Hinsicht habe sich also nichts geändert.

Aber: "Man muss sich schon mit der eigenen Endlichkeit, mit dem Tod auseinandersetzen und der Möglichkeit, dass man diesen Eingriff vielleicht nicht überlebt." Es seien eher diese Gedanken, die ihn verändert hätten.

Jugendlichen das Thema Organspende nahe zu bringen ist keine leichte Aufgabe. Der Film der BZgA, der Teil eines ganzen Unterrichtspakets ist, setzt auf einen emotionalen Zugang.

"Bruno weiß nicht, wessen Herz in seiner Brust schlägt", sagt eine Stimme aus dem Off. "Doch er lebt, weil jemand dieses Organ zur Transplantation freigegeben hat."

Einige Jugendliche, die in dem Film zu Wort kommen, geben an, vielleicht mal einen TV-Beitrag gesehen oder einen Zeitungsartikel gelesen zu haben, der sich mit dem Thema beschäftigt. Doch für viele erschöpft sich damit die Information.

Da verwundert es nicht, was eine aktuelle Repräsentativumfrage der BZgA zeigt: 14- bis 25-Jährige halten sich beim Thema Organspende für schlechter informiert als alle anderen Altersgruppen. 53 Prozent der Befragten dieser Altersklasse geben an, weniger gut (43 Prozent) oder schlecht (zehn Prozent) über das Thema Bescheid zu wissen.

Nur vier Prozent gaben an, sich sehr gut auszukennen. Zum Vergleich: Bei den 26- bis 35-Jährigen fühlen sich nur 32 Prozent weniger gut und 13 Prozent schlecht – aber 50 Prozent gut informiert, fünf sogar sehr gut.

Doch woran liegt es, dass gerade die Jüngsten den eigenen Informationsgrad so negativ einschätzen? Kommt das Thema in den Schulen insgesamt zu kurz? Immerhin hat nicht jeder das Glück, von einem Organempfänger besucht und eine ganz persönliche Sicht geschildert zu bekommen.

Ab 14 hat das Thema Relevanz

Dabei hat die Frage auch für die Jüngsten dieser Altersklasse schon Relevanz. "Ab 14 Jahren kann man einer Organspende widersprechen und ab 16 Jahren zustimmen", erklärt Birgit Blome, Sprecherin der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO).

Sie betont: "Ergebnisoffene Aufklärung ist gerade bei Kindern und Jugendlichen wichtig, da sie ab 16 Jahren durch ihre Krankenkasse angeschrieben werden."

Die Jungen mögen sich für eher schlecht informiert halten, würden aber gern mehr wissen: 56 Prozent der Altersgruppe gaben an, sich mehr Informationen zum Thema zu wünschen – ebenfalls weit mehr als in allen anderen Altersklassen.

Zuständig dafür ist die BZgA. Sie bietet umfangreiche Unterrichtsmaterialien für Lehrer wie das Medienpaket "Organspende macht Schule" – die auch von Schülern gerne angenommen und heruntergeladen werden.

Seit der Veröffentlichung des gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse entwickelten Pakets im Jahr 2012 wurden knapp 60.000 Exemplare an Lehrkräfte und Schüler ausgehändigt, berichtet BZgA-Sprecherin Diana Schulz im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Das Material ist für Schüler ab der neunten Klasse entwickelt worden – also für die Altersklasse, die sich aufgrund des Widerspruchsrechts ab 14 eine eigene Meinung bilden sollte.

Im Paket finden sich die wichtigsten Informationen zur Organspende wie zum Beispiel ausführliche Erklärungen zur Feststellung des Hirntods und eine Schilderung der einzelnen Schritte, bevor es zu einer Entnahme kommt.

Rollenspiel im Unterricht

Es gibt den 20-minütigen Film, in dem unter anderem Bruno Kollhorst zu Wort kommt, und zwei Musikvideos zum Thema. Erläutert werden aber auch harte Fakten wie die Regelungen des Transplantationsgesetzes, die Aufgaben der Stiftung Eurotransplant und die Aufgaben der DSO.

Außerdem finden Lehrer Anregungen für den Unterricht, zum Beispiel Arbeitsblätter, Fragen, mit denen die Klasse die Themen diskutieren kann, und Vorschläge, um selbst aktiv zu werden, zum Beispiel mit einem Rollenspiel oder einer Recherche im eigenen Umfeld. Das Material ist kostenlos und kann entweder per Post bestellt oder als PDF heruntergeladen werden.

In welchem Schulfach das Thema behandelt wird, entscheiden die Schulen. "Das Fach Biologie bietet die Möglichkeit, aus medizinisch-biologischer Sicht in das Thema einzusteigen; in Fächern wie Religion, Philosophie oder Ethik kann ein Einstieg auch aus einer völlig anderen Perspektive gewählt werden, zum Beispiel über das Thema Nächstenliebe oder individuelle Körperkonzepte", erläutert die BZgA-Sprecherin.

"Die Bundesregierung hält die Aufnahme des Themas Organspende in den Schulunterricht für sinnvoll", heißt es schon 2004 in einer Antwort auf eine Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion: Die Inhalte des Schulunterrichts lägen jedoch in der Kulturhoheit der Länder. Und die handhaben die Angelegenheit sehr unterschiedlich. Nicht überall ist die Organspende fester Teil des Lehrplans, eine durchgehende Regelung gibt es nicht.

"In Niedersachsen sind die Themen Organspende und Transplantation fest in den Lehrplänen und Rahmenrichtlinien für die allgemeinbildenden Schulen enthalten, in Bayern wurde das Thema Organspende und Transplantation bereits in die Lehrpläne für Gymnasien und Realschulen, zum Beispiel im Fach Biologie, aufgenommen", zählt Diana Schulz auf.

In Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt gehöre das Thema Organspende und Organtransplantation zu den möglichen Unterrichtsinhalten, zum Beispiel in Philosophie und Biologie, es sei jedoch nicht verbindlich festgeschrieben. In Sachsen sei die Organspende ebenfalls im Lehrplan enthalten.

Brandenburg, Bremen und Thüringen beabsichtigten, es im Unterricht zu verankern. In anderen Bundesländern bestünden mittlerweile verstärkte Bemühungen, das Thema im Unterricht zu platzieren, in einzelnen Schularten und Fächern werde es auch im Rahmen von größeren Themenbereichen behandelt.

Der eigene Tod ist sehr weit weg

Doch wenn das Thema in den vergangenen Jahren in den Klassenräumen an Bedeutung gewonnen hat, woran liegt es dann, dass viele Jugendliche sich trotzdem für schlecht informiert halten?

"Nicht alle Menschen setzen sich bewusst mit dem Thema Organ- und Gewebespende auseinander und treffen eine klare Entscheidung für oder gegen eine Spende – das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Organ- und Gewebespende eng mit dem Tabuthema Tod verknüpft ist und Unsicherheiten und Zweifel auslösen kann", so Diana Schulz.

Gerade Jugendlichen erscheine der eigene Tod sehr weit weg, so dass sie sich nicht ohne äußeren Anlass mit der Frage auseinandersetzen würden, ob sie ihre eigenen Organe und Gewebe spenden wollen.

Ganz spurlos scheinen die Bemühungen von BZgA und Schulen aber trotzdem nicht an den Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorbeizugehen: Die regelmäßige Wiederholungsbefragung zu Wissen, Einstellung und Verhalten der Bevölkerung zur Organ- und Gewebespende zeigt, dass die subjektive Informiertheit der Altersgruppe der 14- bis 25-Jährigen seit 2014 kontinuierlich zunimmt.

"Während 2014 nur 32 Prozent der Befragten angaben, sich sehr gut bis gut über das Thema Organ- und Gewebespende informiert zu fühlen, waren es 2016 bereits 46 Prozent", so Sprecherin Schulz. 2018 sind es nun also 47 Prozent – die die BZgA als positiven Trend interpretiert: "Subjektiv fühlen sich immer mehr Menschen informiert."

Infos über soziale Plattformen

Um Jugendliche direkt zu erreichen, spricht die Bundeszentrale sie auch über sogenannte zielgruppenspezifische Kommunikationskanäle an: Auf Facebook zum Beispiel postet sie Videos und persönliche Geschichten – sowohl von Menschen, die sich für die Organspende entschieden haben als auch von solchen, die ein Organ erhalten haben.

Interessant sind die nach Altersklassen aufgedröselten Befragungsergebnisse zur Akzeptanz, die die BZgA der "Ärzte Zeitung" nun zur Verfügung gestellt hat. Demnach zeigt die Altersgruppe der 14- bis 25-Jährigen mit 93 Prozent den höchsten Anteil an Personen, die sich vorstellen könnten Organ- und Gewebespende zu erhalten (die sogenannte passive Akzeptanz).

In der aktiven Akzeptanz weist diese Gruppe mit 84 Prozent den höchsten Anteil an Personen auf, die grundsätzlich damit einverstanden wären, dass man ihnen nach dem Tod Organe und Gewebe zum Zwecke einer Spende entnimmt.

Das Thema Organspende bei Kindern wirft aber noch eine zusätzliche ethische Frage auf. Denn bis zum 14. Lebensjahr obliegt die Entscheidung den Eltern – also auch dann, wenn die Kinder sich zuvor inoffiziell selbst gegen eine Organspende ausgesprochen haben sollten.

Die Spenderaten in Deutschland bei unter 15-Jährigen sind seit 2015 leicht rückläufig: 2015 wurden 29 Spender kleiner gleich 15 Jahren registriert, 2016 waren es 27 und 2017 25.

Ob das einen Trend beschreibt oder von anderen Faktoren abhängig war, bleibt unklar.

Die aktuelle Befragung der BZgA findet sich online.

Lesen Sie dazu auch: Organspende als Unterrichtseinheit: "Wichtig ist, Bewusstsein für Organspende zu wecken!"

Mehr zum Thema

Kommentar zum Organspende-Register

Es wird Zeit für die Überholspur

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Der papierene Organspendeausweis soll bald der Vergangenheit angehören. Denn noch im März geht das Online-Organspende-Register an den Start.

© Alexander Raths / Stock.adobe.com

Online-Organspende-Register startet

Wie Kollegen die Organspende-Beratung in den Praxisalltag integrieren