Seehofer düpiert Bahr mit Pflegekonzept

BERLIN (sun). Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bekommt bei seiner geplanten Pflegereform Gegenwind aus der CSU: Das Sozialministerium Bayerns ist jetzt mit einem eigenen Vorschlag zur Versicherung Demenzkranker vorgeprescht.

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Seehofer vs. Bahr: Der bayerische Ministerpräsident konfrontiert den Bundesgesundheitsminister mit einem eigenen Pflegekonzept.

Seehofer vs. Bahr: Der bayerische Ministerpräsident konfrontiert den Bundesgesundheitsminister mit einem eigenen Pflegekonzept.

© [M] Seehofer: imago; Bahr: dpa

In einem Konzeptpapier, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt, schlägt das Ministerium von Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) eine dritte Säule in der Sozialversicherung vor.

Im Kern geht es darum, die Pflegeleistungen für Menschen mit Behinderung, Menschen mit Demenz und schwerstpflegebedürftige Härtefälle in einem zusätzlichen Leistungsgesetz zu organisieren.

Abstufungen bei der Betreuung von Demenzkranken angedacht

In diesem "Bundesleistungsgesetz" sollen staatliche Hilfen und Hilfsangebote gebündelt werden. Auch soll es verschiedene Abstufungen bei der Betreuung von Demenzkranken geben.

Sollte bei Demenzkranken gleichzeitig ein Grundbedarf an Pflege vorliegen, soll dieser auch künftig über die Pflegeversicherung abgedeckt werden, heißt es in dem Papier.

Rein aus Steuern finanziert

Die finanziellen Mittel für das Bundesleistungsgesetz sollen rein aus Steuern des Bundes finanziert werden. In dem Papier, an dem auch Bayerns Ministerpräsident Seehofer mitgewirkt haben soll, wird von einem Finanzbedarf für die Reform von rund zwölf Milliarden Euro ausgegangen.

Allerdings sind darin die CSU-Vorschläge zur Betreuung von Demenzkranken noch nicht enthalten.

"Absolut unrealistisch", wettert Reimann

Ob Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) diese Mittel allerdings aus seinem Bundeshaushalt bereitstellt, ist fraglich. Das sieht auch die Opposition so. "Das Modell aus Bayern ist absolut unrealistisch", sagte die SPD-Politikerin Carola Reimann der "Ärzte Zeitung".

Gerade im Hinblick darauf, wie Schäuble bereits bei der finanziellen Gestaltung des Versorgungsstrukturgesetzes reagiert habe, werde dieser Vorschlag so nicht umgesetzt, sagte Reimann.

"Ohne Not eigenes Papier vorgelegt"

Grünen-Politikerin Elisabeth Scharfenberg betonte, dass es Seehofer "gut zu Gesicht gestanden" hätte, in der Koalition mitzuarbeiten: "Ohne Not legt er jetzt ein eigenes Papier vor." Zudem gebe es bereits eine Pflegeversicherung und es braucht keine Parallelstruktur.

Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) befürchtet nach dem neuen Vorschlag aus Bayern ein noch längeres Tauziehen um eine Reform der Pflegeversicherung.

Unterschiedliche Auffassungen innerhalb unionsgeführten Länder und Bundesregierung

"Ich habe Angst, dass gerade die Demenzkranken unter die Räder kommen und die Reform auf die ganz lange Bank geschoben wird", sagte sie.

"Mit den neuen bayerischen Plänen konkurrieren nun völlig unterschiedliche Auffassungen über den richtigen Weg innerhalb der unionsgeführten Länder und in der Bundesregierung", so Dreyer.

Blüm für kapitalgedeckte Pflegeversicherung

Auch von ganz anderer Seite schlägt Bahr Gegenwind ins Gesicht: Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hat sich im Berliner "Tagesspiegel" gegen eine kapitalgedeckte Pflegeversicherung ausgesprochen. Wer darauf setze, gerate "in den Strudel der Spekulanten", sagte Blüm.

Über die von der FDP geplante kapitalgedeckte Säule der Pflegeversicherung spottete Blüm, wer so etwas vorschlage, müsse "die letzten fünf Jahre in Alaska auf einem Eisberg gelebt und nichts mitbekommen haben".

Kein Kommentar aus dem Bundesgesundheitsministerium

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wollte das aus Bayern vorgelegte Modell nicht kommentieren. Die Gespräche zur Pflegereform liefen derzeit in der Koalition, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums.

Grundlage der Beratungen sei der Koalitionsvertrag. Es würden Eckpunkte vorgelegt werden, in denen auch die Finanzierung und die Erweiterung des Pflegebedürftigskeitsbegriff enthalten seien. Es bleibe beim angekündigten Zeitplan.

"Neue Saison für Wildsäue"

SPD-Politikerin Carola Reimann sieht damit die "neue Saison für Wildsäue" eingeläutet. Elf Tage vor den angekündigten Eckpunkten gebe es in der schwarz-gelben Koalition keinen Konsens über die künftige Finanzierung der Pflege.

Es sei "absolut unrealistisch", dass zum 23. September etwas vorgelegt werde, so Reimann.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Zweiter Akt für die "Gurkentruppe"

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