Hunderte Pflegeheime vor der Insolvenz

BERLIN (dpa). Viele Pflegeheime in Deutschland sind einer neuen Studie zufolge von der Pleite bedroht - fast jedes siebte ist betroffen. Überalterte Immobilien, zunehmender Wettbewerb, Lohnkostensteigerungen und mangelnde Managementkompetenz zählen zu den Gründen.

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Eine Frau geht in einem Altenheim mit ihrem Rollator in ihr Zimmer. Viele Pflegeheime stehen angeblich vor der Insolvenz.

Eine Frau geht in einem Altenheim mit ihrem Rollator in ihr Zimmer. Viele Pflegeheime stehen angeblich vor der Insolvenz.

© Oliver Berg / dpa

Bis zum Jahr 2020 würden rund 1750 der zuletzt rund 11.600 Heime in ihrer heutigen Form vom Markt verschwinden - dennoch dürften viele von anderen Trägern übernommen oder ersetzt werden.

Die Zahl der Heime dürfte Experten zufolge wegen steigenden Bedarfs insgesamt zunehmen. Das geht aus der Studie "Stationärer Pflegemarkt im Wandel" der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hervor.

56 Heime meldeten 2010 Insolvenz an

"Der Markt ist in Bewegung", sagt Studienautor Peter Lennartz. Bereits im vergangenen Jahr hätten 56 Heime den Weg in die Insolvenz antreten müssen.

Zu den konkreten Ursachen zählten eine niedrige Belegungsquote unter anderem wegen mangelnder Attraktivität, zu viel Personal und zu kleine Finanzpolster für nötige Bau- oder Umbaumaßnahmen.

Fast vier von zehn für die Studie befragte Heimbetreiber werteten die Finanzlage in der Branche als schlecht oder sehr schlecht.

Lage in Westdeutschland besser als im Osten

Bessere Karten hätten private Betreiber, in Westdeutschland sei die Lage generell besser als im Osten. Vor besonders großen Problemen stünden mittelgroße Betreiber mit zwei bis fünf Heimen.

"Eine Verbesserung der finanziellen Lage ist derzeit nicht abzusehen", heißt es in der Studie. "Die Kosten werden deutlich steigen, während bei den Einnahmen kein klarer Aufwärtstrend zu sehen ist."

Dabei entsprächen 25 bis 30 Prozent der Heimimmobilien nicht mehr den aktuellen Standards. Die Auslastung dieser Heime dürfte weiter in dem Maß zurückgehen, in dem attraktivere Heime gebaut werden.

Verstärkter Wettbewerb um Fachkräfte

Zudem führe der Pflegenotstand zu einem verstärkten Wettbewerb um Fachkräfte, so dass die Löhne steigen müssten.

Für die kommenden zehn Jahre rechnen die Forscher daher mit einer "Ausfallwahrscheinlichkeit" von jährlich 1,5 Prozent der Heime - dies entspricht 175 stationären Einrichtungen pro Jahr.

Einige dieser Heime könnten im Lauf eines Insolvenzverfahrens einen Investor finden, sagte Lennartz. Andere vor allem in dünn besiedelten Regionen auf dem Land müssten wohl eher schließen.

Insgesamt dürfte es 2020 mehr Heime geben als heute. Schließlich gebe es auch erfolgreiche Betreiber.

Rund 2000 neue Heime werden gebraucht

Vor allem aber: Immer mehr Ältere bringen einen steigenden Bedarf mit sich. Bis zum Jahr 2020 bräuchten 179.000 Menschen mehr als heute stationäre Pflege. Rund 2000 neue Heime würden gebraucht.

Dazu komme, dass bestehende Einrichtungen saniert oder ersetzt werden müssen. Die Experten rechnen daher mit einem Investitionsbedarf von rund 34 Milliarden Euro für insgesamt 4300 benötigte Heime.

Bedürfnisse der Pflegebedürftigen verändern sich

Die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und Angehörigen veränderten sich: Sie verlangten moderne Einrichtungen aber auch alternative Wohnformen, die sich zur immer stärkeren Konkurrenz entwickelten.

Die Forscher sehen vor allem kleine und mittlere Betreiber dem steigenden Wettbewerbsdruck oft ungeschützt ausgesetzt. Pflegeketten seien im Vormarsch - sie profitierten von einer größeren Einkaufsmacht und mehr Investitionskraft.

150 Heimbetreiber für Studie befragt

"Diese Branchenkonsolidierung wird wohl nur von wenigen, tendenziell größeren Betreibern vorangetrieben", sagte Mitautor Hans Kersel. Kleine Anbieter könnten ihr Heim früh an finanzstarke Wettbewerber verkaufen - oder sich verstärkt zu Verbünden zusammenschließen.

Für die Studie wurden im Juni 150 private, freigemeinnützige und öffentlich-rechtliche Heimbetreiber vom Marktforschungsinstitut Valid Research befragt. Die Ergebnisse seien repräsentativ, hieß es.

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