Pflege: Grüne denken bei Bürgerversicherung um

Vor kurzem war die Idee noch gut, jetzt wird sie verworfen: Die Fraktionsspitze von Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet sich von den Plänen einer "solidarische Demografiereserve" in der sozialen Pflegeversicherung. Nun wollen die Grünen an die Rückstellungen der PKV heran - und an Mieteinkünfte.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, bekräftigt: Ein demografisch begründetes Sparkässle sei eine Illusion.

Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, bekräftigt: Ein demografisch begründetes Sparkässle sei eine Illusion.

© dpa

BERLIN. Die Spitze der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet sich von den Plänen, in der sozialen Pflegeversicherung eine "solidarische Demografiereserve" aufzubauen.

Ein "demografisch begründetes Sparkässle" sei eine Illusion, sagte Fraktionsvorsitzender Fritz Kuhn am Mittwoch.

Über Aufbau einer kollektiven Reserve wird diskutiert

Über den Aufbau einer kollektiven Reserve für die Pflegeversicherung wird im Zusammenhang mit der Alterung der Gesellschaft diskutiert.

Sie soll Beitragserhöhungen in der Zukunft dämpfen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus dem vorigen Jahrhundert altersbedingt verstärkt pflegebedürftig werden könnten.

Union plant Kapitalstock

Noch vor wenigen Wochen hatten die Grünen begrüßt, dass sich Abgeordnete von CDU und CSU für den Aufbau eines solchen Kapitalstocks ausgesprochen hatten.

Fünf Euro sollte jeder Versicherte zum Aufbau einer Reserve beitragen, hatte es in dem Unions-Papier geheißen.

"Aufbau eines Kapitalstocks ist wenig sinnvoll"

In der Zwischenzeit haben die Grünen ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten zur Kenntnis genommen, das zum Umdenken in der Fraktion geführt hat.

"Der Aufbau eines Kapitalstocks ist möglich, aber wenig sinnvoll", sagte der Autor des Gutachtens, Professor Heinz Rothgang vom Zentrum für Sozialpolitik in Bremen.

Keine sachgerechten Überlegungen

Rothgang hält diese Überlegungen für nicht sachgerecht. Sie gingen davon aus, dass sich der von den "Baby-Boomern" ausgelöste Berg an möglicher Pflegebedürftigkeit "untertunneln" ließe.

Nach dem geplanten Abschmelzen der Kapitalreserve in etwa 50 Jahren springe der Beitragssatz aber auf die Höhe, die sich auch ohne zwischenzeitliche Kapitalbildung ergeben hätte.

Pflegebeiträge auf Mieteinnahmen geplant

Das Modell der grünen Bürger-Pflegeversicherung bezieht alle ein, auch die bislang privat Versicherten. Deren Rückstellungen von etwa 20 Milliarden Euro sollen zur Beitragsdämpfung in die Sozialversicherung überführt werden, kündigte die pflegepolitische Sprecherin der grünen Fraktion, Elisabeth Scharfenberg, an.

Auf Einnahmen aus Mieten und auf Kapitaleinkünfte sollen ebenfalls Pflegebeiträge anfallen. Die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf 5.500 Euro soll weitere Einnahmen generieren.

Bürger-Pflegeversicherung soll im Parteiprogramm etabliert werden

Die Grünen gehen bei ihrem Modell von einem Einstiegssatz von 1,75 Prozent (derzeit 1,95 bis 2,2 Prozent) aus, der bis 2055 auf höchstens 3,2 Prozent ansteigen könne. Eingerechnet in dieses Szenario sei eine Ausweitung der Leistungen um 15 Prozent, sagte Fritz Kuhn.

Kuhn kündigte an, die Ergebnisse des Gutachtens zunächst in der Fraktion und später in der Partei zu diskutieren. Er wolle die grüne Bürger-Pflegeversicherung im grünen Parteiprogramm etablieren, sagte Kuhn.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Koalition unter Zugzwang

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