Pflegereform

Geht die Betreuungsqualität in den Keller?

Die Deutsche Expertengruppe Dementenbetreuung wirft der Koalition gravierende Fehler vor: Die Pflegereform öffne den Pflegemarkt für Unqualifizierte, Ansätze für integrative Versorgung blieben ungenutzt.

Veröffentlicht:

MAGDEBURG. Die Deutsche Expertengruppe Dementenbetreuung (DED) warnt vor einer Verschlechterung der ambulanten Versorgung von Menschen mit Demenz durch das Pflegestärkungsgesetz.

"Demenz bei Menschen mit psychischer Erkrankung", hieß das Hauptthema der diesjährigen DED-Herbsttagung in Magdeburg. Ob in der Häuslichkeit, der Tages- oder stationären Pflege - die Betreuung alter Menschen mit psychischen Erkrankungen ist an sich schon nicht leicht, kommt eine Demenz dazu, fühlen sich Pflegende oft überfordert.

Heike Schwabe, Vorsitzende der DED: "Nicht jeder, der Verwirrtheitssymptome zeigt, hat eine Demenz, zudem gibt es Pseudodemenzen. Selbst erfahrenes Pflegefachpersonal ist oft nicht in der Lage, hier zu differenzieren. Zudem gibt es zu wenig gerontopsychiatrisch ausgebildete Fachkräfte", so Schwabe.

Und systematisiertes Wissen, das für die Praxis hilfreich sein könnte, sei kaum zu finden, beklagt sie. Die ganze Hoffnung liege daher auf Fachärzten, doch auch die seien vielerorts Mangelware. "Hausärzte sind mit diesen Fragestellungen oft genauso überfordert", konstatiert die DED-Vorsitzende.

Der Ruf nach integrativer Versorgung, die gerade diese Menschen dringend benötigten und die von den Teilnehmern der DED-Tagung als vorrangiges Ziel bezeichnet wird, finde in der Regierung keinen Widerhall, hieß es.

Statt Konzepte für die Gewinnung fachpflegerischen und fachärztlichen Nachwuchses oder zumindest für deren Qualifizierung auf den Weg zu bringen, lasse sich die Koalition für ein Pflegestärkungsgesetz loben, das Leistungsverbesserungen ab 2015 verspricht, vielen Betroffenen aber schon heute eher als Drohung erscheint.

Pflegemarkt für jeden offen?

Schwabe nennt ein Beispiel: "Dem Gesetz zufolge sollen 40 Prozent des ambulanten Pflegesachleistungsbetrages als niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote in Anspruch genommen werden können. Das heißt, hier kann jeder tun, was er will, ohne jegliche Kontrolle." Der Pflegemarkt sei für alle offen, egal, ob Fachwissen und Fachverstand vorliegen oder nicht, kritisiert sie.

Schwabe fürchtet, die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen würden eine Ausweitung unqualifizierter Pflege und Betreuung nach sich ziehen. "Im Gegenzug werden professionelle Anbieter oft ‘totgeprüft'. Ist das politischer Wille?", fragt Schwabe.

Entsprechende Anfragen an das Bundesgesundheitsministerium seien bisher ungehört verhallt. "Als Antwort", klagt Schwabe, "haben wir lediglich eine Wiedergabe des Gesetzestextes erhalten."

Schon heute verschärfe sich die Situation von Menschen mit Demenz in der häuslichen Pflege zunehmend. Viele Angehörige seien finanziell überfordert, eine fachlich gute Pflege sicherzustellen. Zugleich überschwemmten illegal beschäftigte Pflegende den Markt, denen vielfach fachliche Qualifikationen fehlten, skizziert sie ihre Wahrnehmung.

Die DED-Experten nutzen ihre zweimal jährlich stattfindenden Tagungen auch, um die Probleme öffentlich zu machen. Im Mittelpunkt aber steht die Vermittlung von Fachwissen und der gegenseitige Erfahrungsaustausch, um Menschen mit Demenz qualifiziert pflegen zu können. (zie)

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“