Thüringen

Patientenversorgung in Heimen wird immer schwieriger

Überlastete Hausärzte einerseits, steigende Morbidität in Pflegeheimen. Deren Betreiber klagen in Thüringen über wachsende Schwierigkeiten, einen Arzt zu finden, der die Versorgung übernimmt.

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ERFURT. Von einem Tag zum anderen musste Nadine Lopuszanski eine neue Hausärztin für die Bewohner des Pro Seniore-Heimes im thüringischen Arnstadt suchen.

Die bisherige Ärztin habe ihren beruflichen Schwerpunkt verändert, erzählt die Heimleiterin. "Auf einmal hatten wir niemanden, der ein Rezept ausstellt."

Inzwischen fand sich eine neue Hausärztin für die Pflegebedürftigen. Doch die Suche war nicht einfach. "Wir übernehmen prinzipiell keine Heimbewohner", sei ihr in mancher Arztpraxis erklärt worden, sagt Lopuszanski.

In Thüringen beklagen Betreiber von Pflegeeinrichtungen immer wieder Probleme bei der Hausarztsuche. Von einem flächendeckenden Notstand will das Sozialministerium in Erfurt allerdings nicht sprechen.

Die Engpässe entstünden in der Regel dann, wenn die Mediziner aus dem Berufsleben ausschieden und kein Nachfolger zur Verfügung stehe.

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die in Thüringen 48 Altenheime betreibt, kennt eine weitere häufige Konstellation.

"Der typische Fall ist der, dass Pflegebedürftige in eine andere Stadt ins Pflegeheim ziehen und dort ein neuer betreuender Arzt gefunden werden muss", sagt AWO-Sprecher Dirk Gersdorf.

Mehr als 25.000 Thüringer leben in Pflegeheimen - ein knappes Drittel der 87 000 Pflegebedürftigen im Freistaat.

Hohe Krankheitslast in Heimen

Der Durchschnittsbewohner in den mehr als 400 Pflegeheimen ist heutzutage ein anderer als vor der Einführung der Pflegeversicherung. Familien versuchen so lange wie möglich, Pflegebedürftige zu Hause zu betreuen. Erst wenn sie dies selbst nicht mehr schaffen, kommen Pflegebedürftige ins Heim - hochbetagt und multimorbide.

Damit allerdings gelten sie als besonders betreuungs- und kostenintensiv. Das ist vor allem in Ländern wie Thüringen, wo die Hausarztpraxen ohnehin schon überfüllt sind, ein Problem.

Die rund 1600 Hausärzte in Thüringen, das offenbaren die Honorarberichte der KBV, haben im Schnitt 30 Prozent mehr Patienten zu versorgen als ihre Kollegen in westlichen Bundesländern.

"Wenn nur ein Arzt am Ort ist und schon 2500 Scheine im Quartal hat, kann er nicht noch ein Pflegeheim betreuen", beschreibt die Vorsitzende der KV Thüringen (KVT), Annette Rommel, selbst Hausärztin, die Situation. In Thüringen stehen derzeit rund 60 Hausarztpraxen leer. Immerhin erhält jeder Pflegeheimbewohner pro Jahr zehn Besuche von seinem Arzt - jährlich werden rund 250.000 Hausbesuche in Pflegeheimen bei der KVT abgerechnet.

Für ebenso problematisch halten Pflegeanbieter die Situation bei Fachärzten - vor allem bei jenen, auf die alte Menschen besonders angewiesen sind: Neurologen, Urologen oder Augenärzte. "Fachärzte machen zumeist erst gar keine Hausbesuche", kritisiert Nadine Lopuszanski, Mitglied des bpa-Landesvorstands.

Die Arbeit dieser Ärztegruppen sei allerdings auch nicht auf Hausbesuche ausgerichtet, entgegnet Rommel. Auch in der Vergütung seien sie nicht vorgesehen. "Fachärzte müssen ihre Praxis so strukturieren, dass sie sich Zeit für Pflegeheimbesuche freischaufeln können. Das ist aber nicht immer möglich."

So gut wie keine Sonderverträge

Abhilfe könnte der Abschluss von gesetzlich möglichen Sondervereinbarungen zwischen Ärzten, Pflegekassen und Heimen schaffen, die Pflegeeinrichtungen einen festen Kooperationsarzt sichern würden.

Sie sind in Thüringen bislang an einer Hand abzuzählen. Mehr solcher Vereinbarungen wünscht sich zum Beispiel der bpa-Landesverband.

Die KVT ist nicht prinzipiell abgeneigt, kann allerdings einem Flickenteppich aus separaten Verträgen mit einzelnen Kassen nicht viel abgewinnen.

"Die Ärzte möchten es gern flächendeckend", so Rommel. Aber auch mit Kooperationsvertrag dürften Vertragsärzte mit Präsenzpflichten in ihrer Praxis wohl kaum zeitlich unbegrenzt in Pflegeheimen zur Verfügung stehen. (zei)

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