Pflege

Modellprojekt setzt in Notsituationen auf Freiwillige

Verwüstet ein Unwetter die Infrastruktur, so kann die Versorgung von Pflegebedürftigen schnell in Gefahr sein. In Nordhessen startet nun ein bundesweit einmaliges Modellprojekt, um diese Lücke zu schließen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

KASSEL. Hochwasser, Stürme, Waldbrände oder besonders starke Schneefälle - weltweit nimmt die Häufigkeit extremer Wetterlagen zu. Wie dann Pflegebedürftige versorgt werden können, wenn Ortschaften zumindest vorübergehend von der Umwelt abgeriegelt sind, damit beschäftigt sich ein bundesweites Modellprojekt, das das Regionalmanagement Nordhessen kürzlich in Kassel vorgestellt hat.

Nach den Plänen sollen dann eigens geschulte Freiwillige die Versorgung übernehmen, bis professionelle Pflegekräfte den Ort wieder erreichen können. Mit dem sogenannten "Freiwilligen-vor-Ort-System" (FvOS) erhoffen sich die Beteiligten Gemeinden auch eine Stärkung des Ehrenamts und des Gemeinsinns in ihren Orten.

Als Projektregion wurden die Landkreise Werra Meißner und Waldeck-Frankenberg ausgewählt. Sie sind bereits heute vergleichsweise dünn besiedelt, und die Folgen des demografischen Wandels sind ein erkanntes und bearbeitetes Problemfeld, auch im Kontext der Versorgung alter und pflege- sowie betreuungsbedürftiger Menschen.

Kreis der Ehrenamtlichen erweitern

Jens Deutschendorf, Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Waldeck-Frankenberg, nimmt derzeit eine große Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge wahr. Mit dem FvOS werde es eine konkrete Möglichkeit geben, "sich für die Menschen vor Ort einzusetzen", betont er. Das könne den Kreis der bislang ohnehin schon ehrenamtlich engagierten Menschen erweitern, erwartet Deutschendorf für seine Modellgemeinde Wangershausen.

Auch Thomas Mäurer (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Weißenborn im Werra-Meißner-Kreis will nicht vorrangig "die üblichen Ehrenamtlichen" ansprechen, sondern "das Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln" und die unmittelbare Nachbarschaftshilfe stärken.

In seiner Gemeinde wird sich der Ortsteil Rambach an dem Projekt beteiligen. Etwa die Hälfte der 200 Einwohner seien ältere Menschen, die in absehbarer Zeit mit Pflegebedürftigkeit zumindest rechnen müssen.

Die Landstraße, an der Rambach liegt, hat auf einer Seite ein Gefälle von 17 Prozent. Glatteis an diesem Hang und ein umgestürzter Baum auf der anderen Seite - "das kann schnell passieren", so Mäurer. Und wenn es mehreren Orten gleichzeitig so ergeht, kann es auch dauern, bis der Weg wieder frei ist.

Der Bund hat für das auf drei Jahre angelegte Projekt Fördermittel in Höhe von 200.000 Euro bewilligt. Am Ende soll ein Leitfaden stehen, wie das Freiwilligensystem für solche Fälle organisiert werden kann. Dieser soll interessierten Kommunen dann bundesweit kostenlos zur Verfügung stehen.

Noch viele Unklarheiten

Bislang allerdings gibt es hierzu mehr Fragen als Antworten. So ist noch nicht bekannt, wie viele pflegebedürftige Menschen es in den beiden Pilotgemeinden genau gibt und wie oft sie welche Hilfen benötigen. Wie und durch wen die Freiwilligen ausgebildet werden sollen, ist ebenso offen wie der gegebenenfalls notwendig rechtliche Rahmen.

So müssen die Helfer etwa spätestens im Ernstfall an die notwendigen Informationen kommen - ohne jedoch die Datenschutzbelange der Pflegebedürftigen zu verletzen.

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