Aktueller Pflegereport

Tagespflege und Co. wenig gefragt

Wie hoch ist die Belastung im Pflegealltag? Diese und andere wichtige Fragen beantwortet die zweite Auflage des AOK-Pflegereports. Dazu wurden mehr als 1000 Menschen befragt, die Angehörige pflegen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Tagespflege, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege, Betreuungsangebote: Die gesetzliche Pflegeversicherung hält eine Reihe von Unterstützungsangeboten für Menschen bereit, die Bekannte oder Verwandte zu Hause pflegen. Die werden aber bis auf den klassischen ambulanten Pflegedienst kaum genutzt.

Für viele zu teuer

 Mehr als die Hälfte der Betroffenen schätzen einer aktuellen Umfrage zufolge die Dienste als zu teuer ein. Hauptgrund für die Nichtinanspruchnahme scheint jedoch zu sein, dass Betroffene nicht von fremden Personen gepflegt werden möchten.

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung Karl-Josef Laumann (CDU) verwies darauf, dass Pflegebedürftige und Angehörige einen „klaren Rechtsanspruch“ auf die Nutzung dieser Angebote hätten.

Er gehe davon aus, dass vor allem die Bedeutung des Tages- und Nachtpflegeangebotes an Bedeutung gewinnen werde. Der ambulante Pflegedienst wird immerhin für knapp 64 Prozent der Pflegebedürftigen tätig. Dagegen nutzen weniger als 20 Prozent der Pflegepersonen die übrigen Unterstützungsangebote der ambulanten Pflege.

Nur drei Prozent mit Rund-um-die-Uhr-Pflege

Deutlich stärker angenommen werden weitere selbst zu finanzierende Unterstützungsleistungen wie Haushaltshilfen, Essen auf Rädern und das Notrufsystem des Deutschen Roten Kreuzes.

Lediglich drei Prozent der Befragten gaben an, eine persönliche Pflegekraft rund um die Uhr zu beschäftigen. Das geht aus den Antworten von 1000 Pflegepersonen hervor, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) für den AOK Pflegereport 2016 befragt hat.

Der Report wurde am Montag in Berlin vorgestellt.Auch die Beratungsangebote der gesetzlichen Pflegeversicherung sind keine Selbstläufer. Weniger als zwei Drittel (62 Prozent) sind schon einmal zu den Unterstützungsangeboten beraten worden.

Die große Koalition hat die Unterstützungsangebote mit dem Pflegestärkungsgesetz 1 ausgebaut.

Kritik an fehlender Zeit und Zuwendung

Nach dem neuen gesetzlichen Rahmen sollen sie leichter untereinander kombiniert werden können. Das Gesetz gilt seit Januar 2015. Das Angebot des Gesetzgebers stößt bei den wenigen, die sie nutzen, inhaltlich im Großen und Ganzen auf Zustimmung.

So empfand eine deutliche Mehrheit der Befragten das Personal der ambulanten Pflegedienste als kompetent und zuverlässig.

Kritisiert wurden häufige Personalwechsel und die fehlende Zeit für Gespräche und Zuwendung. Ähnlich fiel die Bewertung der Tagespflege aus. Vielen gilt die Tagespflege jedoch als zu schwer zu erreichen. Die Kurzzeit- und Verhinderungspflege wiederum gelten als zu bürokratisch.

Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Martin Litsch sprach sich dafür aus, die beiden Leistungen zu bündeln und den pflegenden Angehörigen die Verantwortung zu überlassen, wie sie das Budget einsetzen.

Professor Adelheid Kuhlmey, Alterswissenschaftlerin und Mitherausgeberin des Reports betonte die Stärken des deutschen Pflegemodells als Versorgungsmix im Zusammenspiel von Alten- und Krankenversorgung, ärztlicher Expertise sowie familiärer und ehrenamtlicher Betreuung.

Das Gesundheitsrisiko Nummer eins einer alternden Bevölkerung bleibe die Pflegebedürftigkeit. Da die Familien hier weiter in der Pflicht blieben, seien Entlastungsangebote unverzichtbar. Das gelte vor allem für Frauen, die bislang drei Viertel der privat Pflegenden stellten.

In die gleiche Kerbe hieb die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Es sind hauptsächlich Frauen, die gar nicht oder schlecht bezahlt, zu Hause, in Haushalten anderer Leute, in Krankenhäusern, in ambulanten Pflegediensten oder in Altenheimen Menschen pflegen“, sagte Pia Zimmermann. Ihnen drohen im Alter aufgrund der schlechten Bezahlung Armut.

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