Laumann zur Pflege

„In China rekrutieren, bringt nichts“

Würde eine Stimme der Pflege beim Gemeinsamen Bundesausschuss die Personalengpässe in der Versorgung beheben? NRW-Gesundheitsminister Laumann glaubt das und will gleichzeitig Kliniken zu mehr Ausbildungsdisziplin anspornen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Echauffierte sich bei der Medica über mangelnde Ausbildungsbereitschaft von Kliniken: Landesminister Laumann.

Echauffierte sich bei der Medica über mangelnde Ausbildungsbereitschaft von Kliniken: Landesminister Laumann.

© Matthias Wallenfels

DÜSSELDORF. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) allein kann die Misere in dem Bereich nicht heilen.

„Die Kliniken müssen eine Ausbildungsquote von zehn Prozent erreichen, sonst ist ihr Gestöhne unglaubwürdig“, echauffierte sich Nordrhein-Westfalens Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Montag zur Eröffnung des von der Messe Düsseldorf und der Techniker Krankenkasse (TK) gemeinsam ausgerichteten 7. Medica Econ Forum in Düsseldorf im Rahmen der weltgrößten Medizinmesse Medica.

„In China zu rekrutieren, bringt nichts“, so Laumann mit einem Seitenhieb auf die vehementen Bestrebungen der Kliniken, im inner- und außereuropäischen Ausland ausgebildete Pflegekräfte für eine Tätigkeit in deutschen Einrichtungen zu begeistern oder sie hier auszubilden.

Zu viel Flexibilität abgefordert

Ein weiterer Knackpunkt mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Pflege liegt laut Laumann bei den für die Arbeitnehmer teils unberechenbaren Arbeitseinsätzen, die sehr viel Flexibilität erforderten – auch kurzfristig. Gleichzeitig warnte er vor einem zu starken Wettbewerb zwischen den Sektoren.

Es nütze nichts, Fachkräfte aus dem einen Pflegesektor in den anderen zu bringen, der bessere Arbeitsbedingungen verspreche. Das Problem müsse ganzheitlich sowie mit einem sektorenübergreifenden Denken und Handeln angegangen werden.

Indes fehle der Pflege der nötige Einfluss in der Selbstverwaltung. „Die Pflege muss in den Gemeinsamen Bundesausschuss“, plädierte Laumann vehement für eine gesundheitspolitische Stärkung der Branche. Deshalb befürworte er auch eine Pflegekammer. „Gäbe es eine Bundespflegekammer, wären deutschlandweit 1,2 Millionen Beschäftigte der Branche organisiert.

Das würde die Kräfteverhältnisse im deutschen Gesundheitswesen wesentlich verändern, denn die Bundesärztekammer spricht nur für 360.000 Ärzte“, erläuterte er sein Szenario.

„Ob ambulant, teilstationär oder stationär – den Patienten interessiert es nicht, in welchem Sektor er ist, er will versorgt werden“. Die Patientenperspektive werde der gesundheitspolitischen Diskussion zu oft außenvorgelassen.

Baas: Digitalisierung hilft Bürokratie abzubauen

TK-Chef Dr. Jens Baas sieht unterdessen in der Digitalisierung ein probates Mittel, um Pflegekräfte von bürokratischen Aufgaben zu entlasten.

„Dann können sie auch das tun, was man in der Pflege tun soll, sich um die Menschen kümmern“, so Baas. Die digital gestützte Vernetzung der Leistungserbringer und Kostenträger sowie die Dokumentation seien jedoch keinesfalls wegzudiskutieren, mahnte der TK-Chef vor einem allzu liberalen Verständnis von Bürokratieabbau in der Pflege.

Ohne die inzwischen auch vom Bundeskriminalamt mit der Organisierten Kriminalität in Verbindung gebrachten, häufig fremdsprachigen Pflegedienste zu benennen, die durch Kick-backs und Komplizenschaft mit Patienten, aber auch Ärzten, Sozialbetrug in Milliardenhöhe begehen, nannte er die Digitalisierung das Rückgrat der Transparenz in der pflegerischen Versorgung.

Auch elektronische Patientenakten wie etwa TK-Safe könnten zu mehr Transparenz beitragen.

Regelversorgung im Blick

Harsche Worte fand Gesundheitsminister Laumann für die seiner Meinung nach zu phlegmatische Handhabung von Projektergebnissen. „Erst fördern wir Projekte, dann laufen sie gut, und am Ende finden sie nicht den Weg in die Regelversorgung“.

Hier müssten klare Regeln her, was zum Beispiel Arztnetze ausmache und wie sie ihre speziellen, in Modellen bewährten Leistungen zu GKV-Lasten erbringen können.

Das gelte gerade nach dem bahnbrechenden Votum des diesjährigen Ärztetages zur Lockerung des ausschließlichen Fernbehandlungsverbotes für telemedizinische Ansätze.

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