Betriebsmedizin

Psychologische Anlaufstelle für Mitarbeiter

Betriebe, die ihren Mitarbeitern eine Anlaufstelle für psychische Probleme bieten, sind selten. Ein Beispiel aus dem Norden zeigt, wo die Knackpunkte in der Versorgung liegen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Burn-out? Da ist professionelle Hilfe gefragt.

Burn-out? Da ist professionelle Hilfe gefragt.

© Brad Killer / iStockphoto

KÖLN. Die Firma ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel macht ihren Mitarbeitern ein besonderes Angebot: Als Teil der betriebsmedizinischen Versorgung steht ihnen eine Praxis mit ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten als Anlaufstelle zur Verfügung.

Die Therapeuten reservieren für die Belegschaft Zeit für Krisengespräche sowie diagnostisch orientierte Beratungen zur Früherkennung von Burn out-Entwicklungen und behandlungsbedürftigen psychischen Störungen, erläutert Praxisinhaber Gerhard Leinz, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Seit Juli 2013 haben elf Beschäftigte das Angebot angenommen. "Manche haben schon lange Krankheitszeiten hinter sich, aber erstmals einen Psychotherapeuten aufgesucht", berichtet Leinz.

In der betrieblichen Gesundheitsförderung steht seiner Ansicht nach häufig die Primärprävention zu sehr im Mittelpunkt.

Gerade wenn es um psychische Erkrankungen geht, sei aber auch das Erkennen und Einordnen der ersten Frühsymptome wichtig, hier lohne sich qualifizierte Diagnostik.

Die richtigen Gleise finden

"Die Menschen brauchen vor allem frühzeitig Gespräche mit den qualifiziertesten und erfahrensten Psychotherapeuten, um für die Zukunft in die richtigen Gleise zu kommen", sagt er.

Viele Anbieter, die Firmen Unterstützung im betrieblichen Gesundheitsmanagement anbieten, könnten das nicht leisten, ist seine Erfahrung.

Nicht alle psychischen Erkrankungen im Arbeitsleben sind ausschließlich auf ungünstige Arbeitsplatzbedingungen zurückzuführen, betont Dr. Annette Haver, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie.

"Vor einer Behandlung sollte eine sorgfältige leitliniengerechte psychiatrische Diagnostik erfolgen und dann eine entsprechende individuelle gezielte Therapie eingeleitet werden."

Der Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN) bietet seit Mitte 2012 eine Ausbildung zum BVDN-Coach an.

Nervenärzte und Psychiater werden dabei in der Prävention und Behandlung beruflich bedingter psychischer Erkrankungen weitergebildet, damit sie Firmen beraten und unterstützen können.

"Ziel der Ausbildung des Coach BVDN ist es, in jeder Region einen kompetenten Psychiater oder Nervenarzt als Ansprechpartner für Unternehmen bereitzustellen", sagt Haver, die selbst als Coach tätig ist.

Prävention wird oft unterschätzt

Gerade Handwerksbetriebe und andere kleinere Unternehmen, die keinen eigenen Betriebsarzt haben, nehmen das Angebot an, berichtet sie. Die Handwerker nennen Haver Mitarbeiter, bei denen sie psychische Probleme vermuten.

Die Ärztin prüft, ob es sich um eine psychische Erkrankung oder ein persönliches Problem handelt und entscheidet über das weitere Vorgehen.

Die Arbeit mit systemischen Methoden ermögliche dem Patienten eine bessere Wahrnehmung seiner beruflichen Situation, sagt sie.

Ein weiterer Vorteil: "Wir arbeiten sehr lösungsorientiert." In den Betrieben können die Coachs psychische Belastungen am Arbeitsplatz erkennen und mit den Unternehmen daran arbeiten, sie zu reduzieren.

Die Möglichkeiten der Prävention von neurologischen Erkrankungen werden nach Einschätzung von Dr. Uwe Meier, Vorsitzender der Berufsverbands Deutscher Neurologen, in der Öffentlichkeit unterschätzt. "Da gibt es noch Nachholbedarf."

Nicht nur auf Früherkennung beschränken

Vielen sei nicht bewusst, dass richtige Ernährung, ausreichend Bewegung und ein angemessener Umgang mit Stress auch der Prävention von neurovaskulären Erkrankungen dienen. "Es geht um das gleiche präventive Spektrum wie bei Herzerkrankungen", sagt Meier.

Neurologen können Betroffene bei der Stressbewältigung unterstützen. "Neurologen als Spezialisten des Gehirns können beurteilen, über welche Signalwege Stress krank macht und Patienten kompetent dabei unterstützen, mit Stress umzugehen oder diesen abzubauen."

In der Neurologie darf die Prävention nicht auf den Bereich der Früherkennung beschränkt werden, fordert Meier.

So gehe es nicht nur darum, Gefäßänderungen frühzeitig zu erkennen, sondern darum, sie zu verhindern.

"Das fängt bereits in der Schulkantine an und nicht erst im Betrieb."

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