Hitzewellen

Wetterdienst warnt künftig vor Gefahren

Ab Juni wird der Deutsche Wetterdienst ältere und erkrankte Menschen sowie Städter gezielt über Hitzegefahren informieren. Auch Pflegeheime und Kliniken erhalten spezielle Informationen.

Von Martina Merten Veröffentlicht:
Ältere Menschen leiden oft mehr unter großer Hitze als junge. Deshalb gibt es bald ein spezielles Warnsystem.

Ältere Menschen leiden oft mehr unter großer Hitze als junge. Deshalb gibt es bald ein spezielles Warnsystem.

© Kneschke/Fotolia.com

Fast 75 000 Menschen starben zwischen 1980 und 2013 europaweit bei Hitzewellen. Allein die Hitzewelle im Sommer 2003 in Deutschland forderte rund 8000 zusätzliche Todesopfer, weitere 60 000 in Europa. Ein Blick auf die Temperaturen der vergangenen drei Jahre zeigt: Der weltweite Erwärmungstrend ist ungebrochen – und wird internationalen Wissenschaftlern zufolge noch mehr Todesopfer fordern. Denn im Extremfall, glaubt auch der Deutsche Wetterdienst (DWD), werde sich die Zahl extrem heißer Tage – also solcher mit mindestens 30 Grad Celsius – bis 2100 vervierfachen.

Das ist noch nicht alles: Die Anzahl der Menschen, die von Hitze konstitutionsbedingt am stärksten betroffen sind, steigt stetig. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes könnte der Anteil der über 80-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von derzeit fünf Prozent auf zwölf Prozent im Jahr 2060 steigen. Gleichzeitig leben immer mehr Menschen in Städten, in Lebensräumen also, in denen die thermische Belastung bei Hitzewellen erhöht ist. Durch weniger abkühlende Grünflächen, mehr Industrie, Gewerbe und Verkehr können die gemessenen Temperaturen in Städten dem DWD zufolge bis zu zehn Grad Celsius höher liegen.

COPD-Patienten von Hitze besonders betroffen

Neben Alten und Städtern sind auch Menschen mit chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) stärker von Hitze betroffen. Ihr tägliches Sterberisiko bei Hitzewellen ist um bis zu 14 Prozent höher. Bei längeren Hitzewellen bis zu 43 Prozent, sagt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Einer hohen Belastung durch Hitze sind der DGP zufolge auch Asthma-Patienten und Pollenallergiker ausgesetzt.

"Durch rechtzeitige Warnung dieser besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen kann ein Hitzewarnsystem dazu beitragen, die negativen Folgen des Klimawandels abzumildern", betonte DWD Vizepräsident Dr. Paul Becker bei der jährlichen Klima-Pressekonferenz des Deutschen Wetterdienstes in Berlin. Auch die DGP spricht sich für die Erarbeitung von Frühwarn- und Interventionssystemen aus. Darüber hinaus empfiehlt auch das Umweltbundesamt (UBA) in seinen Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Extremwetterereignissen solche Systeme.

Das jetzige Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes wurde 2003 eingeführt. Bislang warnte der DWD nur pauschal vor Risiken durch übermäßige Hitze in einzelnen Landkreisen. Durch eine Erweiterung des existierenden Systems um die Faktoren "Ältere" und "Städter" will der DWD noch effektiver arbeiten. "Denn Hitze", so Becker, "ist ein stiller Töter."

Das dem Hitzewarnsystem zugrunde liegende Klima-Michel-Model stammt aus den 70er Jahren. Es simuliert das Hitzeempfinden eines durchschnittlichen 35-jährigen Mannes. Bei älteren Menschen, erläuterte Becker, werde die Schwelle zur extremen Wärmebelastung aber früher erreicht als bei dem im Klima-Michel simulierten 35-jährigen, kerngesunden Mann. "Ein 80-jähriger hat eine völlig andere Wärmetoleranz", so der DWD-Vizepräsident. Durch die Erweiterung des bisherigen Systems werden diese Unterschiede explizit berücksichtigt und eine gefühlte Temperatur für ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen berechnet. "Überschreiten dann die thermischen Bedingungen bereits die Schwelle zur extremen Wärmebelastung, ohne dass die errechnete gefühlte Temperatur über 38 Grad Celsius liegt, wird in den amtlichen Warnmeldungen deutlich hervorgehoben, dass ältere Menschen besonders belastet sind", unterstrich Becker. Bei einer errechneten gefühlten Temperatur von 38 Grad wird bislang eine allgemeine Hitzewarnung ausgesprochen.

Verschiedene Kommunikationswege

Dass eine Hitzewarnung für die betroffenen Menschen vorliegt, will der DWD künftig auf unterschiedlichen Wegen kommunizieren. Einer davon: über Ärzte und Apotheker. Der DWD wird sie mit Hilfe der KV Baden-Württemberg (KVBW) umfassend informieren, so dass sie ihre Patienten entsprechend beraten und mit Medikamenten versorgen können. Die Kooperation mit der KVBW ist neu. Der DWD erhofft sich weitere Kooperationen mit KVen in anderen Bundesländern.

Darüber hinaus wird der Wetterdienst Pflegeeinrichtungen wie Pflegeheime, Altenheime und Krankenhäuser direkt über Gefahren informieren. Auch Warn-Newsletter und Apps sollen Bürger über Hitzegefahren aufklären. Nicht zuletzt sei es wünschenswert, sich auch unter Nachbarn stärker unter die Arme zu greifen und auf Gefahren hinzuweisen. Becker: "Nachbarschaftshilfe muss wieder selbstverständlich werden."

Um die Bevölkerung bei der Selbsthilfe zu unterstützen, schlägt der Deutsche Wetterdienst künftig bei allen Warnungen konkrete Verhaltens- und Schutzmaßnahmen vor.

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