Soziale Ungleichheit

Armut- und Reichtumsbericht zeigt alarmierende Zahlen

Versteckt in dem mehr als 700 Seiten umfassenden Armuts- und Reichtumsbericht der Regierung finden sich die wahren Ursachen sozialer Ungleichheit: fehlende Bildung und ungleiche Gesundheitschancen.

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Die Schere zwischen Arm und Reich geht vor allem bei einem Blick auf die Chancen von Kindern auseinander.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht vor allem bei einem Blick auf die Chancen von Kindern auseinander.

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BERLIN. Schlechtes Bildungsniveau, Armutsgefährdung und mangelnde Erwerbsbeteiligung der Eltern bestimmen die Risikolagen von Kindern. Nach dem am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Armuts- und Reichtumsbericht liegt der Anteil der Kinder, die mindestens in einer dieser drei Risikolagen aufwachsen, bei 27,5 Prozent (2014). Im Vergleich zu 2006 ist der Anteil um vier Prozentpunkte gesunken. Überdurchschnittlich betroffen seien Kinder mit Migrationshintergrund – aktuell eine wachsende Gruppe.

Damit ist auch soziale Immobilität programmiert, das heißt, Kindern aus Unterschicht-Familien gelingt nur sehr schwer der Aufstieg in höhere Schichten. Ursächlich dafür ist, das Eltern mit niedrigem Sozialstatus für ihre Kinder auch bei guten schulischen Leistungen nur einen mittleren Bildungsweg wählen – anders als erfolgreiche Eltern, die für ihre leistungsschwächeren Kinder überdurchschnittlich häufig den höheren Bildungsweg wählen und auch gegen Schulempfehlungen durchsetzen.

Neben der Bildung und den Bildungschancen beeinflusst der soziale Status von Eltern gravierend den Gesundheitsstatus und das Gesundheitsverhalten von Kindern. Nach dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts (KiGGS 2009 bis 2012) weisen nur drei Prozent der drei- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen aus Elternhäusern mit hohem Sozialstatus einen schlechten oder mittelmäßigen Gesundheitsstatus auf; in den Unterschichten sind es elf Prozent bei den Jungen, zehn Prozent bei den Mädchen. Das gilt auch für psychische Auffälligkeiten wie etwa ADHS: Ein Drittel der Kinder aus Unterschichten ist davon betroffen, in höheren Sozialschichten nur jedes fünfte Kind.

Manifest werden Gesundheitsprobleme von Kindern etwa durch Übergewicht: Mit einem Anteil von 20,2 Prozent sind Kinder aus Unterschichten doppelt so häufig betroffen wie Kinder aus oberen Sozialschichten, bei Adipositas liegen die Verhältnisse bei 10,3 zu 3,8 Prozent.

Ein typisches Unterschichten-Phänomen ist der Tabakkonsum – das schlechte Vorbild der Eltern wird von Kindern und Jugendlichen nachgeahmt: Von den 11- bis 17-Jährigen aus sozialen Unterschichten rauchen 8,5 Prozent der Jungen, 7,7 Prozent der Mädchen. In Familien mit hohem Sozialstatus sind dies 3,1 Prozent der Jungen und nur ein Prozent der Mädchen. "Diese Werte zum Rauchverhalten im sozialen Umfeld der Kinder lassen den Schluss zu, dass das Rauchverhalten der Eltern stark prägend auf das Rauchverhalten der Kinder wirkt und dieses innerhalb der verschiedenen Sozialstatusgruppen entsprechend über Generationen weitergegeben wird", heißt es in dem Bericht. (HL)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Das Rezept gegen Armut heißt Bildung!

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